Für Norbert Fuchs aus Aarau (Name geändert) war es ein Schock: Mit 59 Jahren erhielt er von seinem Arbeitgeber die Kündigung, weil es der Firma wirtschaftlich schlecht ging. Immerhin erhielt er quasi als Trost eine Abgangsentschädigung von zwei Monatslöhnen. Sie sollte den Verlust des Arbeitsplatzes und damit seines Einkommens etwas abfedern. Doch wie ist diese Entschädigung zu versteuern?
Grundsätzlich gelten Abfindungen als normales Einkommen und müssen auch mit dem übrigen Einkommen zusammen versteuert werden. Die nachteilige Folge: Die Progression steigt, es fallen überproportional hohe Steuern an.
Es gibt allerdings eine Ausnahme – dann nämlich, wenn die Abfindung nicht den künftigen Lohnausfall kompensiert, sondern die entstandene Lücke in der Pensionskassen-Altersvorsorge decken soll.
Steuerverwaltung: Drei Voraussetzungen für Vorzugssatz
In diesem Fall wird die Entschädigung zu einem Vorzugssatz getrennt vom übrigen Einkommen besteuert. Bei der direkten Bundessteuer beispielsweise zu einem Fünftel der normalen Einkommenssteuer. Und auch in den meisten Kantonen und Gemeinden ist es bloss ein Bruchteil der sonst üblichen Steuer.
Gemäss einem Merkblatt der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) sind dazu allerdings genau definierte Voraussetzungen erforderlich:
1. Die Angestellten sind beim Austritt älter als 55.
2. Die Erwerbstätigkeit wird definitiv aufgegeben. Wer also beispielsweise Arbeitslosengelder bezieht und dadurch seine Suche nach einem neuen Job dokumentiert, erfüllt dieses Kriterium nicht.
3. Durch die Entlassung entsteht – vom Arbeitsaustritt bis zum ordentlichen Pensionsalter gerechnet – eine Vorsorgelücke, weil keine Beiträge mehr in die Pensionskasse eingezahlt werden. Das betreffende Merkblatt der Steuerverwaltung hält fest, die Vorsorgelücke müsse von der Pensionskasse berechnet werden.
Merkblätter und Kreisschreiben von Steuerämtern haben keinen Gesetzescharakter. Die Gerichte sind nicht daran gebunden. Trotzdem orientieren sich laut Markus Stoll vom Vermögenszentrum VZ viele Kantone daran.
Der Kanton Bern zeigt sich in dieser Frage etwas grosszügiger: Hier muss lediglich das erste Kriterium erfüllt sein, die Kriterien zwei und drei sind nicht erforderlich. Die bernische Steuerverwaltung hat dazu auf der Website Be.ch/taxinfo unter dem Stichwort «Abgangsentschädigung» eine eigene Weisung veröffentlicht.
Und: Die Gerichte haben sich in der Vergangenheit bereits mehrmals über das Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung hinweggesetzt. So etwa im Falle eines Piloten, der eine Abgangsentschädigung knapp vor dem 55. Altersjahr erhielt. Bei ihm sah das Gericht trotzdem den Vorsorgecharakter der Abfindung als gegeben an und ordnete die günstigere Besteuerung zum Vorsorgetarif an.
Abgangsentschädigung: Frühzeitig mit dem Arbeitgeber sprechen
Differenziert betrachtet haben die Gerichte auch schon die Frage der Weiterbeschäftigung – zumal das Kreisschreiben lediglich eine definitive Einstellung der «Haupterwerbstätigkeit» verlangt. Ein Nebenerwerb bleibt damit weiterhin möglich. So akzeptierte die Zürcher Steuerrekurskommission im Einzelfall die Weiterbeschäftigung eines Kadermitarbeiters, der seine Führungsfunktion verlor und nur noch reduziert weiterarbeitete.
Eine gute Richtschnur ist das Kreisschreiben der ESTV dennoch: Wer alle drei Kriterien erfüllt, darf sicher sein, dass er von der günstigeren Besteuerung profitiert. Und dies auch ohne Gang zum Richter.
Tipp: Wenn Sie rechtzeitig vor der Entlassung von der geplanten Abgangsentschädigung erfahren, so sollten Sie mit Ihrem Arbeitgeber frühzeitig darüber sprechen: So lange Sie noch im Anstellungsverhältnis sind, können Sie oder Ihr Arbeitgeber die Abgangsentschädigung in Ihre Pensionskasse einbringen. Vorausgesetzt, es besteht noch ein Einkaufspotenzial. In diesem Fall bleibt der Einkauf vorerst steuerfrei. Die Besteuerung erfolgt erst beim Bezug: als Kapital zu einem Vorzugssatz, als Rente zu 100 Prozent als Einkommen.