Wenn Kinder ihre Milchzähne verlieren, kommt die Zahnfee. In Grossbritannien heisst sie Tooth Fairy und hält sich an einen international anerkannten Ablauf. Über Nacht tauscht sie den vor dem Einschlafen unter das Kopfkissen gelegten Milchzahn gegen eine Münze aus.
Mein Sohn lernte von seinen Freunden, dass die Tooth Fairy höchst zuverlässig ist. Sie schilderten, was man sich mit dem Batzen leisten könne: Kaugummi, Fussballbilder und Schleckpulver. Für einen 7-Jährigen klingt das paradiesisch. Umso grösser war die Enttäuschung am nächsten Morgen.
«Mama, was ist das?», fragte mein Sohn und hielt mit spitzen Fingern eine kleine Silbermünze hoch – als sei diese mit einem Virus infiziert. Statt der ersehnten Zwei-Pfund-Münze hatte die Tooth Fairy über Nacht ein altmodisches Sixpence-Stück gebracht. Die meist über 50-jährigen Sixpence-Münzen sind heute nicht mehr in Gebrauch und stammen aus einer Zeit, als die Briten neben Pfund und Pence auch noch mit Schilling zahlten. Ein Sixpence ist eine Halb-Schilling-Münze – und ein beliebter Glücksbringer. Er erinnert an eine glanzvolle, vergangene Epoche. An die Zeit, als die Grosseltern meines Sohns noch jung waren. «Kann ich dafür Fussballbilder kaufen?», fragte mein Sohn. Ich schüttelte den Kopf. «Das ist kein Geld zum Bezahlen. Das ist etwas fürs Leben», sagte ich. Mein Sohn schüttelte den Kopf: «Ich will nichts fürs Leben. Ich will Geld für Fussballbilder.»
Als wir uns für den Schulweg fertig machten, vergass ich, meinem Sohn die Münze abzuknöpfen. Und als ich ihn am Nachmittag wieder von der Schule abholte, zeigte er mir freudestrahlend seine Fussballbilder. «Wo hast du die her?», wollte ich wissen. «Von Max», sagte mein Sohn. «Hast du den Sixpence gegen Fussballbilder getauscht?», fragte ich. Kopfschütteln. «Wo ist der Sixpence?» – «Keine Ahnung.»
Der Sixpence kostete rund 5 Franken. Das ist genug, um sich über den Verlust zu ärgern. Wir durchsuchten das Kinderzimmer. Auch ein Anruf bei Max’ Eltern brachte keinen Erfolg. Der Sixpence blieb verschwunden.
Wochen später entdeckte ich die kleine Silbermünze beim Bettenmachen dann doch noch. Sie war unter die Matratze gerutscht. Niemand hatte sie bis dahin wirklich vermisst. Ich bat die Zahnfee, künftig nur noch Pfund-Münzen zu liefern.