Im Frühling 2018 erhielt die damals 26-jährige Lea M. aus Zürich einen Anruf ihres Bruders. Er habe sich von einem Agenten der Schweizer Vermögensberatung AG (SVAG) zu seinen Finanzen beraten lassen, sie solle das doch auch tun. Lea M. vertraut ihrem Bruder und willigte deshalb ein. Wenig später kam der Agent zu Besuch.
Er sichtete ihre Finanzunterlagen und sah, dass sich die junge Frau bereits mit Fragen der Altersvorsorge beschäftigte. Denn sie zahlte auf ein 3a-Zinskonto der Raiffeisenbank den jährlich erlaubten Maximalbetrag von 6826 Franken ein. Lea M. sparte also ohne Anlagerisiko und flexibel. Das 3a-Konto erlaubte es ihr, jedes Jahr von Neuem zu entscheiden, ob sie Geld einzahlen will oder nicht.
Trotzdem machte der SVAG-Agent der jungen Frau schmackhaft, eine 3a-Vorsorgepolice der Generali-Versicherung abzuschliessen. Mit der Sparversicherung namens «Performa Capital» verpflichtete sich Lea M., vom 1. April 2018 bis 31. März 2055 jeden Monat 250 Franken an die Generali zu überweisen – also 3000 Franken pro Jahr, insgesamt 111 000 Franken.
Von diesem Geld gehen aber nur 83,27 Prozent auf ihr Alterskonto. Den Rest zwackt die Generali für einen «Risikobeitrag» ab. Dieser besteht darin, dass die Versicherung «Prämienbefreiung bei Erwerbsunfähigkeit» garantiert. Das heisst: Die Generali würde für Lea M. weiter Prämien einzahlen, wenn sie invalid würde. Dieser angebliche Vorteil ist billiger zu haben: Wer bei der Bank spart und dazu separat eine Risikoversicherung für die Invalidität als Ersatz für die Prämienbefreiung abschliesst, erzielt den gleichen Effekt – zahlt aber weniger.
Über einen grossen Nachteil für Frauen klärte der Agent Lea M. ebenfalls nicht auf: Sollte sie Mutter werden und ihre Erwerbstätigkeit aussetzen, könnte sie nicht mehr weiter in die Säule 3a einzahlen – und somit den Vertrag nicht mehr erfüllen. Die Generali bietet zwar an, die bisherige Police in solchen Fällen in eine sogenannte «kombinierte Vorsorgelösung» umzuwandeln. Dabei behält sie ihr angespartes 3a-Geld und zahlt weiter in die private Säule 3b ein. Nur: Die Prämie, die sie der Generali nach wie vor jedes Jahr zahlen müsste, könnte sie dann nicht mehr von den Steuern abziehen.
Die Vorsorgegelder, die Lea M. der Generali zahlt, fliessen in die Fonds Fortuna Invest – Risk Control 6 und Fortuna Invest – Risk Control 5. Sie gehören zur Generali-Gruppe. Beides sind Mischfonds, in denen der Obligationen-Anteil 66,34 respektive 71,59 Prozent beträgt. Aktien sind fast keine vorhanden. Sollten die Zinsen steigen, verlieren diese Anteile an Wert. Und schon in den vergangenen fünf Jahren warfen die Fonds mickrige 0,27 und 1,25 Prozent pro Jahr Rendite ab. Dafür sind die jährlichen Kosten mit 1 beziehungsweise 1,5 Prozent des investierten Kapitals hoch.
Von den 111 000 Franken würden nur 92 431 garantiert ausbezahlt
Falls Lea M. bis ins Jahr 2055 durchhält, bekommt sie von den einbezahlten 111 000 Franken nur 92 431 Franken garantiert ausbezahlt. Die Kosten für Versicherungsabschluss, Verwaltung, Anlage und Risiko schmälern den Ertrag.
Bisher zahlte Lea M. 6000 Franken ein. Seit Herbst 2019 überweist sie kein Geld mehr und will aus dem Vertrag aussteigen. Doch das wird sie teuer zu stehen kommen. Denn nun kommt ein weiterer Nachteil dieser Sparversicherung zum Tragen: Kündigt sie den Vertrag vor Ablaufzeit, erhält sie nur noch den sogenannten Rückkaufswert. Der ist in den ersten Jahren gleich Null. Denn von den einbezahlten Prämien zieht die Gesellschaft zuerst die Provision ab, die an den Versicherungsverkäufer geht. Auch die angelaufenen Verwaltungskosten gehen weg.
Die SVAG sagt dazu, die getroffene Lösung sei in jeder Hinsicht korrekt gewesen und es handle sich nicht um eine Fehlberatung.