Anleger müssen beim Kauf von Fonds und anderen Finanzprodukten Gebühren bezahlen. Davon erhalten ihre Depotbanken von den Anbietern solcher Wertschriften Geld zurück, ohne dass dies die Kunden erfahren. Die Branche spricht von Retrozessionen oder Kickbacks.
Rechtlich handelt es sich um Kommissionen oder Provisionen. Problematisch: Die Banken haben einen Anreiz, den Kunden Finanzanlagen zu empfehlen, bei deren Vermittlung sie hohe Entschädigungen erhalten.
Gemäss Gesetz haben die Kunden aber Anspruch auf die Rückzahlung solcher Retrozessionen. Die Banken dürfen Retrozessionen nur behalten, wenn die Kunden vertraglich im Voraus auf die Rückzahlung verzichten. Damit ein Verzicht aber rechtlich gültig ist, müssen sie laut Bundesgericht die ungefähre Höhe der Vergütungen kennen.
Banken verschleiern Zahlen und drohen mit Gebühren
Seit die Banken vom Gesetz und von Gerichten gezwungen wurden, die Kickbacks herauszugeben, verlangen die meisten Geldinstitute von ihren Kunden eine schriftliche Bestätigung, dass sie künftig auf diese Gelder verzichten. Sie teilen ihnen aber die effektive Höhe der Provisionen nicht mit, um die es geht, sondern nur Bandbreiten der Entschädigungen, die sie einheimsen. Aussagekräftig sind diese Informationen nicht.
Beispiel Credit Suisse: Da heisst es, die Bandbreite bei «Aktienfonds, Portfoliofonds, Produkten von Anlagestiftungen usw.» betrage «0 bis maximal 2 Prozent». Und bei den risikoreichen strukturierten Produkten beträgt sie gar 0 bis 2,5 Prozent.
Immerhin sieht das Gesetz vor, dass Banken ihren Kunden die tatsächlich erhaltenen Beträge offenlegen müssen. Doch damit tun sie sich schwer. Acht Leser von K-Geld mit insgesamt elf Bankbeziehungen baten ihre Banken, ihnen die Höhe der Retrozessionen für das Jahr 2022 mitzuteilen.
Eine Leserin bekam nach dem Versand des Auskunftsbegehrens an ihre Raiffeisenbank Flawil-Degersheim-Mogelsberg-Oberuzwil einen Anruf. Die Bank wollte sie mit einer geschätzten Prozentzahl abspeisen und warnte vor den Kosten für die Auskunft. Diese würden auf die Kundin überwälzt. Fakt ist: Die Bank ist dazu verpflichtet, die Informationen gratis zu liefern.
Bessere Erfahrungen machte ein Raiffeisen-Kunde aus dem Thurgau: Als er 2021 Auskunft verlangte, wimmelte ihn sein Kundenberater noch mit den Argumenten ab, das sei kompliziert und koste 250 Franken pro Stunde. Doch für 2022 erhielt er die Auskunft ohne Probleme und gratis.
Neun der elf Banken lieferten die verlangten Informationen innert 20 Tagen. Ausnahmen: Bei der Migros-Bank dauerte die Wartezeit zwei Monate. Und die UBS sagte beim Nachhaken nach über einem Monat, die Anfrage sei intern stecken geblieben. Bis Redaktionsschluss traf die gewünschte Auskunft nicht mehr ein.
Bei vier Bankbeziehungen gaben die Finanzinstitute an, keine Kickbacks erhalten zu haben. Sechs orientierten die Leser über die Höhe der vereinnahmten Entschädigungen: Credit Suisse, Migros-Bank und die Raiffeisenbanken von Lägern-Baregg, Flawil-Degersheim-Mogelsberg-Oberuzwil, Regio Arbon und Waldkirch.
Doch eine Abrechnung mit dem Entschädigungsbetrag pro Finanzprodukt und dessen prozentualem Anteil am investierten Betrag war nicht darunter. Am besten machte es noch die Credit Suisse. Diese wies den Retrozessionsbetrag pro Position aus: Für den hauseigenen CS-Fonds Privilege 45 beanspruchte die Bank 2022 bei einer Kundin eine Entschädigung Dritter von Fr. 660.32 für sich. Doch um zu erfahren, was das für ein Prozentanteil ist, muss die Anlegerin selber in ihrem Depotauszug nachschauen, welchen Wert der Fonds zum Jahresende hatte. Mit diesen Angaben liess sich dann ausrechnen, dass bei diesem Fonds 0,63 Prozent der investierten Summe an die CS geflossen waren.
Nur Hartnäckige bekommen genaue Informationen
Noch knapper waren die Antwortschreiben von Raiffeisen. Sie informierten die Kunden nur darüber, welcher Betrag insgesamt an die Raiffeisenbank ging. Solange es bloss einen Fonds im Depot gibt, ist das akzeptabel. So liess sich etwa berechnen, dass die 312 Franken Kickbacks für den Raiffeisen Futura Focus Interest & Dividend 0,9 Prozent der investierten Summe zum Jahresende entsprachen.
Ratlos lässt die Auskunft von Raiffeisen aber die Kunden zurück, die mehrere Fonds oder sogar mehrere Depots besitzen. Denn auch diese erhalten als Antwort nur einen Totalbetrag: Ein Aargauer Leser etwa hält einen Raiffeisen- und einen CS-Fonds in seinem Depot. Dafür flossen im letzten Jahr Kickbacks in der Höhe von Fr. 609.92. Das entspricht 0,75 Prozent des Depotwerts. Ein anderer Leser aus dem Kanton Thurgau besitzt zwei Raiffeisendepots mit insgesamt zehn Fonds von Raiffeisen und Vontobel. Es blieb offen, wie sich die Fr. 940.28 an Entschädigungen Dritter auf die einzelnen Depots und Fonds verteilen.
Bei der Migros-Bank flossen laut Auskunftsschreiben nur für Migros-Bank-Fonds Kickbacks. Diese würden 40 Prozent der Fondsverwaltungsgebühren betragen. Beim vorliegenden Depot waren das Fr. 12.94 bei einem Steuerwert des Fonds Ende 2022 von Fr. 4102.70.
Die Migros-Bank sagt, diese Auskunft diene der «ersten Übersicht». Sollten Kunden vertiefte Informationen benötigen, würden diese auf Anfrage erstellt.
Florian Schubiger von der Vermögenspartner AG in Zürich kritisiert die undurchsichtige Retrozessionspraxis schon seit Jahren. Seines Wissens zahlen nur wenige Banken und Vermögensverwalter den Kunden alle versteckten Entschädigungen zurück. Er wundert sich über die knappen Auskünfte der Banken. Denn technisch gesehen, sei es für die Banken heutzutage kein Problem mehr, eine detaillierte Liste der Retrozessionen pro Kunde und Finanzprodukt zu erstellen.
Kickbacks: So einfach stellen Sie ein Auskunftsbegehren
Haben Sie aktive Fonds oder strukturierte Produkte in Ihrem Depot? Dann kassiert Ihre Bank wahrscheinlich Entschädigungen der Herausgeber dieser Anlagen. Die Bank muss Auskunft über die effektiv eingenommenen Beträge geben, und zwar separat für jedes einzelne Finanzprodukt. Einen Musterbrief für ein Auskunftsbegehren finden Sie unter: Kgeld.ch