Im Normalfall investiert die Pensionskasse sämtliche Spargelder der Versicherten nach den gleichen Anlagerichtlinien. Doch einige Pensionskassen bieten für Gutverdienende verschiedene Anlagestrategien zur Wahl an. Erlaubt ist dies für sogenannt überobligatorische Lohnanteile über 126900 Franken.
Das heisst: Ein junger Kadermann mit hohem Lohn kann für seinen überobligatorischen Lohnanteil eine risikoreichere Strategie verfolgen – mit einem relativ hohen Aktienanteil. Temporäre Verluste kann er mit seinem langfristigen Anlagehorizont aussitzen.
Wahlfreiheit: Pensionskasse der ABB ist Vorreiterin
Diese Möglichkeit wird aber kaum genutzt, weil das Gesetz gleichzeitig vorschreibt, dass Versicherte beim Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung sämtliche geleisteten Beiträge samt Zinsen mitnehmen dürfen. Das bedeutet in der Praxis: Wer auf eine risikoreiche Anlagestrategie gesetzt hat und bei seinem Firmenaustritt im Minus ist, lässt dieses «Loch» in der Pensionskasse liegen. Seinen Verlust tragen also die Pensionskassen und damit die anderen Versicherten.
Auf Anstoss des Zürcher SVP-Nationalrats Jürg Stahl will der Bundesrat dies ändern. Er schlägt vor, dass Versicherte in Zukunft durch ihre Anlagestrategie verursachte Verluste selbst tragen müssen. Sollte nach dem Nationalrat auch der Ständerat der Gesetzesänderung zustimmen, dürfte sich die Idee frei wählbarer Anlagestrategien für Vorsorgevermögen über 126900 Franken durchsetzen.
Eine Vorreiterrolle kommt hier der Pensionskasse der ABB zu. In Zusammenarbeit mit dem Vorsorgelösungsanbieter Avadis können gut verdienende ABB-Mitarbeitende seit dem Jahr 1996 ihre Anlagestrategie frei wählen. Neben einer konservativen reinen Geldmarktstrategie sind es solche mit Aktienanteilen von 20 bis 60 Prozent beziehungsweise 80 Prozent für das Topkader.
Bei der ABB müssen die Versicherten mit ihrer Unterschrift bestätigen, dass sie allfällig anfallende Verluste selbst zu tragen gewillt sind. Avadis-Geschäftsführer Christoph Oeschger räumt ein, dass man damit das geltende Recht eigentlich ausheble. «Im Klagefall würden wir uns aber dieses Recht erstreiten.» Noch nie habe sich ein Versicherter beschwert.
Das risikoreichere Anlegen scheint sich zu lohnen, das zeigen die von Avadis ausgewiesenen Renditen für die aktuellen Strategien unter dem Namen Inastra. Dieses Programm wurde jedoch erst 2013 lanciert, in einer Phase boomender Börsen. Während die Geldmarktstrategie, die allein in Festgeld und Obligationen investiert, seit 2013 einen Verlust von 1,18 Prozent ausweist, legten die Aktienstrategien (Stand: Ende September 2015) klar zu: plus 7,14 Prozent (Aktienanteil 20 Prozent), plus 10,93 Prozent (40) und plus 14,82 Prozent (60).
Dennoch macht von den gut 1500 gut verdienenden ABB-Mitarbeitenden nur rund ein Viertel von der Wahlmöglichkeit Gebrauch. Zum Teil aus Bequemlichkeit, meint Oeschger, aber auch, weil man zu lange in einem System ohne Wahlfreiheiten gelebt habe.
Auch die Pensionskasse von Novartis bietet für Einkommen ab 150000 Franken die Wahl unter verschiedenen Anlagestrategien an. Darunter ist ein sogenanntes Life-Cycle-Modell, das den Aktienanteil und damit das Risiko im Verlauf der Jahre zurückfährt. Dieses Modell trägt der Gefahr Rechnung, dass der Versicherte kurz vor der Pensionierung Opfer eines Börsencrashs werden könnte.