Seit ich in Indien wohne, beschäftige ich immer mehr Hausangestellte: einen Autowäscher, einen Fensterputzer, einen Zimmerpflanzengärtner, einen Abfallsackabholer, eine Altpapierbündlerin, einen Shopping-Lieferanten und neu eine hochspezialisierte Putzfrau. Sie ist für Staub ab 180 cm Höhe zuständig, eine sogenannte Upper-Cleanerin. Wagemutig besteigt sie Trittleitern, um Schränke, obere Büchergestelltablare oder Küchenkästchen abzustauben.
Upper-Cleanerin Rama ist jung, geschickt und schnell. Angeheuert hat sie meine Putzhilfe Renuka. Sie ist die einzige, die ich suchte, und sie hat einen Arbeitsvertrag. Sie ist eine sehr zuverlässige Frau.
Renuka ist effizient und erfahren. Dennoch empfahl sie mir, Rama anzustellen. «Wissen Sie», sagte sie, «Rama muss Geld verdienen, sie hat ein Kind.» Jeden Freitag ist nun Upper-Cleaning-Tag. Kostenpunkt: umgerechnet 15 Franken im Monat. Auch Schiebefenster putzt Renuka nicht mehr selber. Aber nicht, weil sie zu faul ist. Kapil erledigt das nun, weil er – wie sie sich ausdrückt – «auch Arbeit braucht». Seither fegt er alle zwei Wochen für jeweils 12 Franken das winzigste Staubkorn von den Scheiben.
Ein paar Wochen später stiess ein Autowäscher zu meinen «Angestellten». Deepak, der Hauswart, vermittelte ihn und versprach tägliche Aussen- und Innenreinigungen für umgerechnet 10 Franken im Monat. Zunächst versuchte ich mich zu wehren. Einen Autowäscher brauche ich wirklich nicht. Erstaunt, aber sehr bestimmt liess mich der Hauswart wissen, dass Ablehnen unmöglich sei: «Wissen Sie, Devendra hat eine Familie.»
Effizient ist das alles nicht. Diese Arrangements kosten nicht nur Nerven und Geduld, sondern total auch rund 100 Franken pro Monat. Nicht eingerechnet sind Ad-hoc-Leistungen, die man im indischen Alltag mehr oder weniger charmant aufgedrängt bekommt. Etwa Einpacken im Supermarkt oder Parktickets aus dem Automatenschlitz fischen.
Zunächst glaubte ich, dass man mich als Schweizerin für einen wandelnden Bancomaten hält. Das hat mich geärgert. Inzwischen weiss ich es besser: Es geht bei den Anstellungen weder um besonderes Können, Kostenersparnis oder Effizienz. Auch besteht keine Absicht, Ausländer über den Tisch zu ziehen. Es ist simpler: Das ist Arbeitsteilung – im ursprünglichsten Sinn des Wortes. Man könnte es auch soziale Verantwortung nennen. In der Schweizer Heimat läuft das ganz anders. Dort ersetzt man sogar die Kassierin durch Selfscanning.