Für den Fall, dass Sie einmal nach Argentinien reisen, schlage ich eine Wette vor: Fragen Sie beim Taxifahrer, am Quartierkiosk oder beim Glaceverkäufer nach, wie viele Pesos man an diesem Tag für einen Dollar bekommt. Ich bin sicher: Alle wissen es. Und die Argentinier kennen neben dem offiziellen Wechselkurs auch denjenigen auf dem Schwarzmarkt.
Niemand vertraut dem Peso. Bei einer Inflation von rund 50 Prozent pro Jahr ist das kaum verwunderlich. Immobilien werden in Dollar und in bar gekauft, auch Mietverträge immer häufiger gleich in Dollar abgeschlossen. Die Dollarobsession der Argentinier führt so weit, dass die Zentralbank schätzt: Argentinische Sparer haben 10 Prozent aller US-Dollar-Noten gebunkert, die weltweit im Umlauf sind.
Damit nicht alle, die Pesos verdienen, in den Dollar flüchten, gelten Tauschbeschränkungen. Das Limit liegt zurzeit bei 200 Dollar im Monat. Wer mehr braucht, tauscht schwarz. Das ist längst normal. Fernsehsender zeigen unten im Bildschirm ein Laufband: Eurokurs, Dollarkurs (legal), Dollarkurs (illegal). Wobei natürlich nicht «illegal» da steht. «Dólar blue» heisst der Schwarzmarkt-Dollar. Er ist zurzeit etwa doppelt so teuer wie jener auf der Bank.
Spanischunterricht nehme ich schon lange nicht mehr. Aber Lektionen in Finanzwissen kommen in Argentinien immer gelegen. Dafür habe ich meinen Kollegen Pablo. Er arbeitete früher an der Börse. Bei unserem letzten Kaffee wurde mir fast schwindelig: Es gebe heute 15 verschiedene Dollarkurse. «Referenzwert ist der offizielle Tauschkurs, den aber niemand bekommt», sagt Pablo. Wenn Argentinier mit der Kreditkarte im Ausland einkaufen, zahlen sie einen Aufschlag von 30 Prozent: «Das ist der Solidar-Dollar.» Solidarisch? «Na, mit dem Staat», grinst er. Dann spricht Pablo vom Börsen-Dollar, vom Agrar-Dollar, vom Spar-Dollar, vom Netflix-Dollar, der für Streamingdienste gilt, von «Blue Chip Swaps». Alle haben unterschiedliche Wechselkurse. Und dann gibts noch den Püree-Dollar. Den nennt Pablo auch «Spekulation-für-kleine-Leute-Dollar»: Jemand tauscht bei der Bank Pesos zum offiziellen Kurs und holt sich dann um die Ecke auf dem Schwarzmarkt doppelt so viele Pesos pro Dollar zurück.
Beim Hinausgehen frage ich Pablo nach einem Tipp für Freunde aus der Schweiz, die nach Argentinien reisen: «Sie können sich das Geld via Western Union zuschicken. Da erhält man den Börsenkurs, und der ist fast so hoch wie der ‹Dólar blue›.»