Ein Ehepaar aus Sempach LU wollte alles richtig machen und fragte darum das dortige Steueramt an, wie eine zu erwartende Invalidenrente zu versteuern sei. Der Fall lag nicht einfach. Denn der Entscheid über die Rente war erst fünf Jahre nach dem Antrag gefallen – deshalb wurden fünf Jahresrenten auf einen Schlag fällig: insgesamt gut 120000 Franken.
Solche Renten sind Ersatz für Lohn und deshalb als Einkommen zu versteuern. Dies im Unterschied etwa zu Schmerzensgeldern oder Auslagenersatz. Eine einmalige Zahlung von 120000 Franken wird wegen der Steuerprogression viel stärker besteuert als fünf Auszahlungen zu je 24000 Franken. Deshalb werden solche einmaligen Auszahlungen so besteuert, wie wenn sie über die Jahre in regelmässigen Tranchen ausbezahlt worden wären. Die Fachleute sprechen vom «satzbestimmenden» Einkommen.
Das Steueramt gab sich bürgerfreundlich und rechnete gleich sechs Varianten durch – die teuerste mit einem satzbestimmenden Einkommen von 26000 Franken. In der definitiven Veranlagung setzte es jedoch das satzbestimmende Einkommen auf 46000 Franken fest. Das Steueramt Sempach hatte bei seiner Auskunft nicht einberechnet, dass im Jahr der Auszahlung auch noch die laufende IV-Rente als Einkommen hinzukommt.
Das Ehepaar wehrte sich bis vor Bundesgericht gegen die Steuerrechnung, weil es sich auf die vorgängige Auskunft des Steueramts verlassen hatte. Das sei eine Frage von Treu und Glauben, argumentierte das Ehepaar. Es verlangte, dass höchstens ein satzbestimmendes Einkommen von 26000 Franken zur Anwendung komme.
Das Bundesgericht wollte davon nichts wissen: Das Steueramt Sempach hatte seine Berechnungen mit einem «Revisionsvorbehalt» versehen und im Begleitschreiben klar geschrieben, dass es sich bloss um «provisorische Berechnungen» handle. Die Steuerauskunft sei «nicht vorbehaltlos» erfolgt, so die Bundesrichter (Urteil 2C_486/2014 vom 18. Juli 2016). Das Ehepaar hätte sich also nicht blindlings auf die Berechnungen der Sempacher Steuerbehörde verlassen dürfen.
Im gleichen Urteil sagt das Bundesgericht aber auch, dass «nach dem Grundsatz von Treu und Glauben selbst eine unrichtige Auskunft, welche eine Behörde dem Bürger erteilt, unter gewissen Umständen Rechtswirkung entfalten» kann.
Verbindliche Steuerauskunft: Das sind die Bedingungen
Im Klartext: Unter klar formulierten Bedingungen darf man sich auf eine Steuerauskunft verlassen.Die Voraussetzungen, die gemäss Bundesgericht ausnahmslos alle erfüllt sein müssen:
1. Es handelt sich um eine vorbehaltlose Auskunft der Behörden.
2. Die Auskunft bezieht sich auf eine konkrete Angelegenheit.
3. Die Amtsstelle, die die Auskunft gegeben hat, war hierfür zuständig – oder der Bürger durfte dies zumindest annehmen.
4. Der Bürger konnte die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen.
5. Der Bürger hat im Vertrauen auf die Auskunft gehandelt und eine Rückabwicklung wäre mit grossen Nachteilen verbunden.
6. Die Rechtslage hat sich seit der Auskunft nicht verändert.
Fazit:Wenn man es genau wissen und auf Nummer sicher gehen will, so muss man von seiner Steuerbehörde eine verbindliche Auskunft – ein sogenanntes Ruling – verlangen. In seinem Begehren muss man genau beschreiben, wofür man die verbindlich gültige Vorausberechnung haben will. Und genau so muss man den Fall dann auch abwickeln, sonst gilt die Auskunft als nicht verbindlich.