Am 19. März 2023 übernahm die UBS die Credit Suisse (CS) zum Preis von drei Milliarden Franken. Die CS-Aktionäre erhielten für 22,48 CS-Aktien eine UBS-Aktie. Das entsprach einem Kurs von 76 Rappen pro CS-Aktie. Bei Börsenschluss zwei Tage vor der Übernahme lag der Kurs noch bei Fr. 1.86.
Mit diesem Umtauschverhältnis waren Tausende CS-Aktionäre nicht einverstanden, 39 von ihnen klagten beim Zürcher Handelsgericht gegen die UBS. 8 Klagen wurden mit Unterstützung der drei Organisationen Contract Vault, Legal Pass und Schweizerischer Anlegerschutzverein eingereicht. Diese vertreten nach eigenen Angaben insgesamt weit über 10'000 Aktionäre der Credit Suisse.
Die Kläger verlangen eine Überprüfung des Umtauschverhältnisses und einen angemessenen Preis für ihre CS-Aktien. Sie sind der Ansicht, dass der Unternehmenswert der Credit Suisse zum Zeitpunkt der Fusion höher war als die bezahlten drei Milliarden Franken.
CS-Aktie bei Fusion mehr wert als UBS-Entschädigung
Bei ihrer Klage stützen sie sich auf verschiedene Argumente, wie zum Beispiel den letzten Börsenkurs der CS-Aktie, der zwei Tage vor dem Fusionsentscheid Fr. 1.10 pro Aktie höher war als der von der UBS bezahlte Preis.
Zudem lag der Substanzwert der Credit Suisse Ende März 2023 bei Fr. 13.10 pro Aktie. Der Substanzwert ergibt sich aus dem Eigenkapital eines Unternehmens. Im Juni 2023 wies die UBS einen ausserordentlichen Gewinn von 29 Milliarden US-Dollar aus, der im wesentlichen durch die Übernahme der Credit Suisse zustande gekommen war.
Von diesen und weiteren Argumenten will die UBS in ihrer über 130 Seiten langen Klageantwort nichts wissen, wie das Juristenmagazin «Plädoyer» in der neuesten Ausgabe berichtet. Die Bank wird von der Zürcher Anwaltskanzlei Bär & Karrer vertreten.
Laut der Darstellung der UBS wäre die Credit Suisse am Montag, 20. März 2023, «kollabiert», wenn sie nicht von der UBS übernommen worden wäre. Und bei einem Konkurs hätten die Aktionäre alles verloren. Sie wären laut den Anwälten der UBS aber auch leer ausgegangen, wenn der Bund die Credit Suisse vorübergehend verstaatlicht oder die Bank in ein Sanierungsverfahren geschickt hätte. Denn bei beiden Szenarien wären die Aktien auf null abgeschrieben worden.
Aufgrund dieser desolaten Situation ist die UBS der Auffassung, dass die Bewertung der Credit Suisse für die Bestimmung des Umtauschverhältnisses der Aktien nicht wie üblich zum Fortführungswert, sondern zum Liquidationswert erfolgen musste. Gestützt auf diese Unternehmensbewertung kommt die UBS zum Schluss, dass die Credit Suisse zum Zeitpunkt der Fusion nichts mehr wert gewesen sei.
Die Argumentation der UBS vernebelt die Fakten: Die Credit Suisse war nie konkurs, deshalb kann ein allfälliger Konkurs bei der Bestimmung des Preises keine Rolle spielen. Der Credit Suisse drohte zwar die Zahlungsunfähigkeit, sie war aber nicht überschuldet. Zum Zeitpunkt der Bewertung war bereits klar, dass die Credit Suisse durch die UBS weitergeführt würde.
Auffällig: Die UBS vermeidet es, konkrete Ausführungen zur Bilanzsituation der Credit Suisse zu machen. Weder in der Klageantwort noch in den vier Bundesordner füllenden Unterlagen finden sich Angaben zur Bilanz kurz vor der Fusion.
Diese Zahlen muss es aber geben, führte doch UBS-Präsident Colm Kelleher im März in einem Interview gegenüber der «NZZ am Sonntag» aus: «Das Einzige, was wir wirklich anschauen konnten, waren die Aktiven und die Passiven; und die Rechtsstreitigkeiten.» Es scheint, dass die UBS im Prozess zu vermeiden versucht, die konkrete Bilanzsituation der Credit Suisse zum Zeitpunkt der Bewertung offenzulegen.
Aus diesem Grund kommt das Gericht wohl nicht um ein unabhängiges Gutachten herum, das die Frage beantwortet, wie viel die Credit Suisse am 19. März 2023 tatsächlich wert war.
AT1-Anleihen: Funkstille am Bundesverwaltungsgericht
Die Aktionäre der Credit Suisse erhielten bei der Zwangsfusion mit der UBS 76 Rappen pro Aktie. Wer Obligationen der AT1-Anleihe besass, ging leer aus. Das ist ein erstmaliger Vorgang. Denn selbst im Falle eines Konkurses eines Unternehmens werden zuerst die Obligationen zurückbezahlt. Die Aktionäre erhalten nur noch Geld, wenn nach Zahlung aller Unternehmensschulden Kapital übrig bliebe.
Der Totalverlust der Obligationäre ist auf eine Verfügung der Finanzmarktaufsicht (Finma) zurückzuführen. Sie entschied, dass die CS die AT1-Anleihen im Wert von 16 Milliarden Franken nicht zurückzahlen muss. Gegen die Verfügung gingen beim Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen rund 320 Beschwerden von ungefähr 3000 Obligationären ein («Plädoyer» 2/2024).
Die Obligationäre verlangen, die Finma-Verfügung sei aufzuheben. Werden die Beschwerden gutgeheissen, muss die UBS alle AT1-Anleihen zurückzahlen, nicht nur diejenigen der Beschwerdeführer.
Das Bundesverwaltungsgericht forderte die UBS und die Finanzmarktaufsicht letzten Sommer dazu auf, zu den Beschwerden der Obligationäre innerhalb einer bestimmten Frist Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen müssten schon lange beim Gericht eingegangen sein.
Das Bundesverwaltungsgericht will zum Stand des Verfahrens keine Angaben machen. Die Anwälte der Obligationäre erhielten bisher keine Beschwerdeantwort der UBS.