Angehende Pensionierte sind attraktive Kunden für Banken und Versicherungen. Sie haben in der Pensionskasse ein kleines oder grösseres Vermögen gespart und stehen vor der Entscheidung, ob sie ihr Geld als Kapital oder als Rente beziehen sollen. Viele Finanzinstitute umwerben ältere Erwerbstätige unter anderem mit Vorsorge- oder Pensionierungsrechnern. Mit diesen auf den Internetseiten platzierten Rechnern sollen sie angeblich feststellen können, ob ihr Einkommen nach der Pensionierung ausreicht.
Die Rechner kommen oft zum Schluss, dass angehende Rentner eine Vorsorgelücke haben – dass ihr Einkommen nach der Pensionierung tiefer ist als die Ausgaben. Viele sorgen sich deshalb um ihre finanzielle Zukunft. Das ist von den Finanzinstituten beabsichtigt. Sie wollen mit den Rechnern Kunden gewinnen. Direkt unter dem Rechner kann man sich jeweils für eine Beratung anmelden.
Damit sich im Rechner in der Mehrheit der Fälle eine Vorsorgelücke ergibt, müssen die Banken stark vereinfachen. Sie dürfen nicht alle relevanten Informationen des Benutzers erfassen und gehen von unrealistischen oder unklaren Annahmen aus.
Beim Rechner der UBS beispielsweise muss man bloss Alter und Bruttojahresgehalt eingeben und wählen, ob man im Alter «einfach», «komfortabel» oder «luxuriös» leben möchte. Wer beispielsweise eingibt, dass er 60 Jahre alt ist, pro Jahr 100000 Franken verdient und komfortabel leben möchte, müsste gemäss Rechner bis zur Pensionierung pro Monat 9891 Franken sparen, um dieses Ziel zu erreichen. Die eigentliche Vorsorgelücke pro Jahr weist der UBS-Rechner nicht aus.
Bei der UBS und vielen anderen Rechnern kann man die Zahlen nachträglich zwar verfeinern. Es ist in der Regel aber nicht möglich, sämtliche Einkommens- und Vermögenswerte sowie die erwarteten Ausgaben nach der Pensionierung zu erfassen. Solche Rechner sind deshalb unbrauchbar.
Zu einem ähnlich dramatischen Ergebnis wie die UBS kommt der Rechner «Einkommenslücke» der Berner Kantonalbank. Nach Eingabe der gleichen Eckwerte gibt er eine Vorsorgelücke von 3451 Franken pro Jahr nach der Pensionierung aus.
Raiffeisen hat eine eigene App entwickelt, den «Vorsorgeradar». Sie schlägt zwei Möglichkeiten vor, wie die Vorsorgelücke zu schliessen wäre: monatlich mehr Geld zurücklegen oder mehr aus bestehenden Konten machen. In beiden Fällen solle man den Berater kontaktieren. Die naheliegendste Möglichkeit zum Schliessen einer Rentenlücke ist aber nicht erwähnt: nach der Pensionierung einfach sparsamer leben.
Rechner der St. Galler Kantonalbank erfasst Eckwerte individuell
Auch Versicherungen buhlen mit solchen fragwürdigen Rechnern um Kunden. Die Rechner von Axa und Allianz etwa berücksichtigen weder ein allfälliges Vermögen noch die erwarteten Ausgaben nach der Pensionierung. Beim Rechner der Swiss Life lassen sich die Ausgaben nach der Pensionierung zwar senken, aber nur auf 80 Prozent des Einkommens vor der Pensionierung. Viele Erwerbstätige, vor allem solche mit höherem Einkommen, können schon in den letzten Jahren vor der Pensionierung einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens sparen. Sie benötigen nach Erreichen des Rentenalters keineswegs 80 Prozent ihres letzten Erwerbseinkommens – vor allem auch, wenn sie im Eigenheim leben und die Hypothek abbezahlt haben.
Die St. Galler Kantonalbank zeigt, dass es auch anders geht. Ihr Pensionsrechner erfasst alle Einkommens- und Vermögenswerte, die Ausgaben als Rentner lassen sich individuell festlegen, und man kann Szenarien wie eine Frühpensionierung oder einen Anteil Kapitalbezug aus der Pensionskasse einrechnen.