An der Kasse der Lebensmittelkette ICA kippe ich den Inhalt meines Münzfachs auf den Tresen und beginne zu zählen: «50 Kronen ...» Die Dame hinter mir gibt einen hörbaren Seufzer von sich. «100 Kronen …» Ich versuche sie zu ignorieren und zähle weiter: «374 Kronen, bitte schön.» Ich schiebe der Verkäuferin die umgerechnet 50 Franken zu und sage mit Blick auf das Schild «Wir bevorzugen Kreditkarten» entschuldigend, dass wir tags zuvor die Sparschweinchen der Kinder geleert hätten.
Szenen wie diese sind in Schweden Alltag. Das Land wandelt sich in rasantem Tempo zur bargeldlosen Gesellschaft. Besuchern, die sich erkundigen, ob sie ihre Franken in der Schweiz oder erst in Schweden wechseln sollen, rate ich deshalb: weder noch. Eine Kreditkarte genügt – auch für kleine Beträge. Ich wundere mich längst nicht mehr über Mitmenschen, die ihre Goldkarte zücken, um zwei Briefmarken oder ein Glace am Kiosk zu bezahlen. Sieben von zehn Einkäufen in Schweden werden mittlerweile mit einer Plastikkarte getätigt.
Dass man neuerdings bestraft wird fürs Zahlen mit Münz und Noten, hat mich dagegen ziemlich erstaunt: Ein Flughafenhotel in Stockholm weist seine Gäste freundlich darauf hin, dass man bei Barzahlungen ab 56 Franken eine Gebühr von 7 Franken erhebe. Warum denn das, wollte ich wissen. Darauf erklärte der Rezeptionist, dass es Zeit und Personal brauche, um das Geld zur Bank zu bringen. Zudem bestehe die Gefahr von Überfällen. Damit nannte er einige der häufigsten Gründe gegen Banknoten und Münzen: Sie seien bakterienverseucht, teuer in der Handhabung, seien ein Sicherheitsrisiko und förderten den Schwarzmarkt und den Drogenhandel.
Nicht nur Hotels und der Handel, auch schwedische Banken wollen immer weniger mit Bargeld zu tun haben. Die vier Grossbanken hantieren nur noch in einem Viertel aller Filialen mit Münzen und Noten. Dies bekam unlängst ein Bankräuber in Stockholm zu spüren, der schlecht vorbereitet ans Werk ging und eine bargeldlose Filiale überfiel.
Doch manchmal hat man Glück. Mein eingangs erwähnter Lebensmitteleinkauf endet mit einem kleinen Happy-End: Das Gesicht der Verkäuferin hellt sich angesichts meiner vielen Münzen auf. In ihrer Kasse herrscht an diesem Abend nämlich Ebbe, sodass sie das klirrende Geld dankbar entgegennimmt.