Bei einer Wohnüberbauung im Kanton Zug rosteten Balkonstützen und -geländer. Die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer verlangte deshalb von der Bauunternehmung die kostenlose Behebung dieses Mangels. Die Balkone galten hier als gemeinschaftlicher Teil der Wohnanlage.
Doch die Bauunternehmung wehrte sich gegen die Forderung. Ihr Argument: Die Gemeinschaft sei gar nicht klageberechtigt. Denn es hätten nicht alle Stockwerkeigentümer ihre Mängelrechte an die Gemeinschaft abgetreten.
Gemäss einem älteren Urteil des Bundesgerichts wäre die Bauunternehmung und Verkäuferin im Recht gewesen. Die Richter hatten 1988 entschieden, dass ein Stockwerkeigentümer bei einem Mangel an gemeinschaftlichen Anlagen nur einen «quotenbezogenen Nachbesserungsanspruch» habe: Er kann demnach auch bei einem gemeinschaftlichen Teil nur denjenigen Anteil der Kosten einklagen, der seiner Wertquote an der ganzen Wohnüberbauung entspricht.
Jeder Miteigentümer kann eine vollständige Nachbesserung verlangen
Beispiel: Kostet die Reparatur eines gemeinschaftlichen Treppenhauses 50000 Franken und hat ein Stockwerkeigentümer eine Wertquote von 100 Tausendsteln, kann er den verantwortlichen Bau- oder Generalunternehmer nur im Umfang von 5000 Franken belangen. Hässliche Konsequenz dieser Rechtsprechung: Der einzelne Eigentümer müsste den Handwerkern die ganze Reparatur des Treppenhauses zahlen – und dann selber bei den übrigen Stockwerkeigentümern deren Kostenanteil eintreiben. Keine erfreuliche Aussicht.
Doch diese Rechtspraxis gilt jetzt nicht mehr. Schon das Zuger Kantonsgericht stellte sich 2013 auf die Seite der Stockwerkeigentümer und entschied: Jeder einzelne Eigentümer hat für sich allein das Recht, die vollständige Nachbesserung an einem mangelhaften gemeinschaftlichen Teil zu verlangen – auch wenn er selbst nur eine geringe Wertquote am Stockwerkeigentum hat. Oft betrifft das zum Beispiel Tiefgaragen und Hobbyräume. Am 18. September 2018 landete ein solcher Fall vor Bundesgericht – und es entschied gleich. Damit wurde die alte Rechtsprechung von 1988 definitiv hinfällig.
In diesem Fall ging es um eine Überbauung, die der Generalunternehmer Stalder Immobilien in Luzern erstellt und verkauft hatte. Tiefgaragen und Balkonböden waren nicht wasserdicht. Deshalb verlangte die Stockwerkeigentümergemeinschaft von Stalder einen Kostenvorschuss von 680000 Franken. Mit dem Geld wollte sie die Reparatur durch ein anderes Bauunternehmen durchführen lassen.
Der Generalunternehmer argumentierte, nur 20 der insgesamt 37 Stockwerkeigentümer hätten ihren Nachbesserungsanspruch abgetreten. Doch er blitzte ab und muss nun die ganze Summe zahlen. Der «quotenbezogene Nachbesserungsanspruch» sei juristisch nicht mehr haltbar, sagt das Bundesgericht (Urteil 4A_71/2018).