Die gestapelten, mehrgeschossigen Häuser mit den verspielten blauen und grauen Fassaden der Wohnüberbauung Zelgli Mattenbach in Winterthur sind ein Blickfang. Die zwölf Mehrfamilienhäuser stehen teilweise auf einer unterirdischen Tiefgarage. Diese sorgte in den vergangenen Jahren bei den Besitzern der rund 100 Wohnungen für viel Ärger – und Kosten in Millionenhöhe.
Bauexperte: «Hier wurde gegen jegliche Regeln der Baukunst verstossen»
Die Wohnungseigentümer zogen in den Jahren 2008 und 2009 in die neu erstellten Häuser ein. Ein Jahr später bemerkten sie, dass an einigen Stellen Wasser durch die Betondecke in die Tiefgarage eindrang. Das verantwortliche Generalunternehmen Leemann und Bretscher besserte in den folgenden Jahren nach – ohne Erfolg.
Ein Gutachten der JG Bauexpert offenbarte 2017 das ganze Ausmass der Probleme: Der Abschluss der Tiefgarage bestand lediglich aus einem Gussasphaltbelag. Ein solcher Belag genügt bei einer fast ebenen Garagendecke nicht, da das Regenwasser kaum abfliessen kann. Eine eigentliche Abdichtung auf der Garagendecke fehlte.
Zudem waren die Abdichtungsanschlüsse der Tiefgarage an die Hausfassaden und Entwässerungsrinnen falsch ausgeführt. Josef Grob von der JG Bauexpert spricht gegenüber K-Geld Klartext: «Hier wurde gegen jegliche Regeln der Baukunst verstossen. Das war Baupfusch.»
Inzwischen ist die Sanierung offiziell abgeschlossen. Spezialisten trugen die Gussasphaltdecke ab und verklebten zur Abdichtung Bitumenbahnen mit der Decke. Die mit der Tiefgarage verbundenen Hausfassaden mussten im unteren Bereich bis auf das Mauerwerk freigelegt und die Übergänge von den Hausfassaden zur Tiefgarage abgedichtet werden. Zurzeit gibt es immer noch undichte Stellen.
Wohnungseigentümer liessen 5-jährige Frist für Mängelrüge verstreichen
Laut Aussagen eines betroffenen Stockwerkeigentümer belaufen sich die Kosten für die Sanierungsarbeiten voraussichtlich auf über 2 Millionen Franken. Die abschliessende Bauabrechnung liegt noch nicht vor. Sie geht vollumfänglich zulasten der Stockwerkeigentümer. Jeder muss aus dem eigenen Sack mindestens 20 000 Franken bezahlen. Besitzt jemand mehrere Garagenplätze, ist der Anteil deutlich höher. Das verantwortliche Generalunternehmen Leemann und Bretscher hatte die Mängelrechte an die Wohnungskäufer abgetreten. Die Stockwerkeigentümer verpassten aber die fünfjährige Verjährungsfrist zum Rügen der Mängel. Deshalb müssen sie nun selbst für den Schaden aufkommen (siehe Kasten).
Der Winterthurer Bauunternehmer Leemann und Bretscher geriet in den vergangenen Jahren schon mehrmals wegen sanierungsbedürftiger Bauten in die Schlagzeilen. Bekanntester Fall war eine Garage im Winterthurer Aussenquartier Sennhof, die im Jahr 2014 notfallmässig mit Baumstämmen gestützt werden musste, damit sie nicht einstürzte.
Daniel Hottinger, Geschäftsführer Leemann und Bretscher, hält zu den Baumängeln fest: Sein Unternehmen habe die Eigentümer stets über den Bauablauf orientiert und zu Fragen sowie Gutachten jeweils ausführlich Stellung bezogen. Damit sei man den «vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen vollständig nachgekommen».
Baumängel: Das müssen Immobilienkäufer wissen
Eine im Auftrag des Schweizerischen Baumeisterverbandes ausgeführte Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich zeigt: Zur Behebung von Baumängeln wurden 2013 in der Schweiz 1,6 Milliarden Franken aufgewendet. Das sind rund 8 Prozent der jährlichen Bauinvestitionen im Hochbau. Nach Meinung des langjährigen Bauberaters Othmar Helbling aus Rapperswil-Jona SG nahmen die Baumängel seither weiter zu.
Damit Immobilienkäufer nicht auf den Kosten für die Beseitigung von Baumängeln sitzen bleiben, müssen sie offene oder verdeckte Mängel gemäss Obligationenrecht bis fünf Jahre nach Bauabnahme rügen. Die Beweislast liegt beim Eigentümer. Mängel müssen innert sieben Tagen nach Entdeckung gemeldet werden.
Grosszügiger sind die Regeln, wenn zwischen Immobilienkäufer und Generalunternehmen respektive Handwerker die SIA-Norm 118 des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins vereinbart wurde. Während der ersten zwei Jahre nach Bauabnahme kann der Eigentümer jederzeit Mängel rügen und deren Beseitigung verlangen. Die Beweislast liegt beim Unternehmer. Dann ändert die Beweislast, aber der Eigentümer kann weitere drei Jahre lang verdeckte Mängel rügen.
Generalunternehmen schliessen die Mängelhaftung oft vertraglich aus. Bei Mängeln liegt es dann am Immobilienkäufer, die rechtlichen Fristen einzuhalten und sich gegen die Subunternehmen durchzusetzen. Das ist aufwendig und kostspielig. Bauberater Helbling rät Käufern, im Generalunternehmer-Werkvertrag den Haftungsausschluss des Unternehmers nicht zu akzeptieren. Tipp: Generalunternehmerverträge vor der Unterschrift von einem Baujuristen prüfen lassen.
Wohnungseigentümer sollten ihre Liegenschaft mindestens sechs Monate vor Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist durch einen unabhängigen Bauexperten auf Mängel durchleuchten lassen. «Eine solche Investition macht sich in der Regel bezahlt», sagt Helbling.
Falls sich beim Check Baumängel finden, müssen Eigentümer rasch handeln und die Mängel sofort rügen. Zu beachten ist auch die Verjährung des Anspruchs auf Mängelbehebung, die im Regelfall fünf Jahre nach dem Erwerb des Eigentums eintritt. Unter Umständen verzichtet der Ersteller auf den Einwand der Verjährung, indem er eine entsprechende schriftliche Erklärung unterschreibt. Sonst muss die Verjährung für alle Eigentümer notfalls mit Betreibung unterbrochen werden. Deshalb rät Hubert Stöckli, Professor an der Universität Freiburg und Direktor des Instituts für Baurecht, einen Anwalt beizuziehen.
Für Stöckli ist eine Verjährungsfrist von fünf Jahren für Baumängel zu kurz bemessen. Gerade bei Problemen mit eindringendem Wasser, die oft erst Jahre später zutage treten, genüge die Frist nicht. Stöckli rät, sich bei Baukörpern mit Abdichtungen (etwa Flachdächern) im Vertrag zehn Jahre Garantie auszubedingen. Bei Profis sei das heute üblich.