Im Sommer 2013 erfüllten sich Giovanni Russo (Name geändert) und seine Frau einen Traum und kauften in Wald ZH eine neu gebaute Eigentumswohnung. Als Russo im Folgejahr die Steuererklärung ausfüllte, war er unsicher, welchen Betrag er beim Eigenmietwert der Wohnung eintragen sollte. Immobilienbesitzer müssen den Eigenmietwert als fiktives Einkommen versteuern. Er wird den Steuerpflichtigen in der Regel von der Steuerbehörde mitgeteilt.
Bei Russo war dies nicht der Fall. Auf Anfrage wies ihn das Gemeindesteueramt Wald an, 25800 Franken in der Steuererklärung einzutragen. Mit dem Vermerk, dass es sich um einen provisorischen Wert handle.
Fünf Jahre lang 4400 Franken zu viel versteuert
Diesen Eigenmietwert deklarierte Russo auch in den Folgejahren. Bei der Kontrolle der Steuererklärung 2018 entdeckte eine Steuerbeamtin, dass der eingetragene Eigenmietwert zu hoch war. Der definitive Wert lag nämlich bei 21400 Franken. Das Ehepaar Russo hatte also in den Jahren 2013 bis 2017 jeweils 4400 Franken zu viel Eigenmietwert als Einkommen versteuert.
Russo fragte bei der Steuerbehörde nach, ob die früheren Steuereinschätzungen korrigiert würden. Er erhielt ein E-Mail mit folgender Antwort: «Es ist nicht möglich, die Einschätzungen rückwirkend zu berichtigen.» Zudem sandte ihm die Behörde die entsprechenden Artikel aus dem kantonalen Steuergesetz, worin die Bedingungen genannt sind, unter denen rechtskräftige Steuerentscheide revidiert werden können.
Russo bat K-Geld um Hilfe. K-Geld unterbreitete den Fall Ernst Giger, Professor für Unternehmenssteuerrecht an der Universität Bern. Klar ist: Laut Gesetz ist die Korrektur einer rechtskräftigen Verfügung zugunsten einer steuerpflichtigen Person nur dann möglich, «wenn nachträglich erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel entdeckt» werden. Oder wenn die Steuerbehörde diese nicht kannte oder berücksichtigte. Giger zufolge ist im vorliegenden Fall aber schwierig zu beurteilen, ob das späte Entdecken der Falschauskunft der Steuerbehörde eine neue und erhebliche Tatsache im Sinne des Gesetzes darstellt. Giger verwies aber auf die Bundesverfassung, in der es heisst: «Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.»
Nach dieser Auskunft intervenierte K-Geld beim kantonalen Steueramt Zürich, das für die Revision zuständig ist. Vergangenen Monat teilte die Behörde mit: Eine Berichtigung der rechtskräftigen Einschätzungen von Amtes wegen komme nicht in Frage, weil dies allein bei Schreibversehen möglich sei. Die Abklärungen hätten aber ergeben, dass die Voraussetzungen für einen Antrag auf Revision erfüllt seien. Nur habe Russo keinen solchen Antrag eingereicht.
Trotzdem komme man ihm entgegen: Die Behörde korrigiere die früheren Steuereinschätzungen von sich aus. «Der Steuerpflichtige durfte auf die Aussage des Gemeindesteueramts vertrauen», argumentierte die Behörde. Zudem wäre es Russo «nur mit fundiertem Wissen im Bereich der steuerlichen Liegenschaftenbewertung» möglich gewesen, den falschen Eigenmietwert zu erkennen.
«Das ist von unschätzbarem Wert für den normalen Bürger»
Giovanni Russo freut sich «ausserordentlich» über den positiven Bescheid der Steuerbehörde. «Man sieht sich den Behörden gegenüber stets in einer schwächeren Position und glaubt, ohnmächtig akzeptieren zu müssen, was bestimmt oder gesagt wird», sagt er. Hier zeige sich aber, dass es auch anders kommen könne. «Das ist von unschätzbarem Wert für den normalen Bürger.»
So wehren Sie sich gegen eine Steuerveranlagung
Wichtigster Punkt: Die auf den Steuerveranlagungen genannten Fristen zur Erhebung einer Einsprache oder für eine Beschwerde an die nächste Instanz müssen unbedingt eingehalten werden. Diese Fristen werden nicht verlängert. Massgebend für die Einhaltung der Frist ist der Poststempel. Deshalb sollten solche Rechtsmittel immer mit eingeschriebenem Brief eingereicht werden. Die Veranlagung wird rechtskräftig, wenn die Frist verpasst wird.
In seltenen Fällen ist später noch eine Revision möglich. Einen Antrag auf Revision kann man bis maximal zehn Jahre nach Erhalt der Veranlagung beim zuständigen kantonalen Steueramt einreichen. Eine Revision ist in allen Kantonen möglich.
Anspruch auf eine Revision haben Steuerpflichtige aber nur, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. So braucht es neu aufgetauchte «erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel», damit die Steuerbehörden eine rechtskräftige Veranlagung neu aufrollen. Zudem muss man einen Antrag innert 90 Tagen nach Entdeckung des Revisionsgrunds einreichen.