Zuletzt traf es eine Frau aus dem Kanton St. Gallen. Sie war Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer GmbH. Als das Unternehmen Konkurs ging, schuldete es der AHV-Ausgleichskasse noch 144 000 Franken. Das Bundesgericht verpflichtete die Gewerblerin am 8. August 2017 dazu, diese Summe der AHV nachzuzahlen.
Gleichentags verurteilte das Gericht den Ex-Geschäftsführer einer konkursiten Gesellschaft. Er haftet nun persönlich für AHV-Schulden von 40000 Franken. Und zwar solidarisch mit dem ehemaligen einzigen Verwaltungsrat.
Diese Urteile sind die letzten in einer langen Reihe von Entscheiden, bei der es um die Haftung des Arbeitgebers für nichtbezahlte AHV-Beiträge ging. Eineinhalb Monate zuvor (am 26. Juni 2017) hatte das Bundesgericht den Fall eines St. Galler Jungunternehmers beraten, dessen Start-up-Firma Konkurs ging und der AHV bis zur Konkurseröffnung 208 000 Franken schuldig blieb. Der Mann war Verwaltungsratsmitglied mit Einzelunterschrift und muss die Schuld nun abstottern.
Das AHV-Gesetz sagt: Wenn ein Arbeitgeber absichtlich oder grobfahrlässig Beiträge nicht zahlt, muss er diesen Schaden ersetzen. Ist der Arbeitgeber eine «juristische Person» – meist eine AG oder GmbH – haften die Verantwortlichen persönlich, falls beim konkursiten Betrieb nichts mehr zu holen ist.
Ahnungslosigkeit schützt nicht vor Haftung
Das kann auch Verwaltungsräte treffen – und die können sich nicht damit herausreden, sie hätten von nichts gewusst. Das zeigt der Fall eines Verwaltungsratspräsidenten, welcher der AHV nach dem Konkurs 245000 Franken zahlen muss. Er hat argumentiert, er habe das Amt nur aus Gutmütigkeit übernommen. Von administrativen Dingen habe er keine Ahnung gehabt und keinen Einfluss auf die Geschäftsführung. Das Bundesgericht sagt: Der Mann hätte für eine Kontrolle «eine sachverständige Person beiziehen müssen».
In einer «Wegleitung» schreibt das Bundesamt für Sozialversicherungen an die Adresse von Verwaltungsräten: «Strohmänner und -frauen, die von ihren Kontrollbefugnissen keinen Gebrauch machen, handeln grobfahrlässig.» Das ist eine deutliche Warnung an Leute, die sich pro forma als Verwaltungsrat zur Verfügung stellen.
Fazit: Verantwortliche eines konkursgefährdeten Unternehmens dürfen den Betrieb nicht auf Kosten der AHV am Leben erhalten. Und sie müssen gemäss Bundesgericht bei den Löhnen sparen. In einem Fall aus dem Jahr 2013 schrieben die höchsten Richter, in einer misslichen finanziellen Lage müsse man «in erster Linie sozialversicherungsrechtliche Verpflichtungen» erfüllen statt «durch weitere Lohnzahlungen ein weiteres Ansteigen von Beitragsausständen zu verursachen».
Pikant: Laut Strafgesetzbuch macht sich strafbar, wer bei Zahlungsunfähigkeit einzelne Gläubiger auf Kosten anderer bevorzugt, indem er vor Konkurseröffnung ausgewählte nicht fällige Rechnungen zahlt. Die Bundesgerichtsurteile zeigen aber: Geschäftsleiter und Verwaltungsräte sollten zum eigenen Schutz ausstehende AHV-Beiträge vor dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit begleichen.
AHV-Beiträge: Angestellte erleiden keinen Schaden
Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitgeber den Angestellten zwar AHV-Beiträge vom Lohn abziehen, diese aber nicht an die Ausgleichskasse weiterleiten. In solchen Fällen erhalten Betroffene die Beiträge trotzdem gutgeschrieben. Dazu müssen sie aber beispielsweise mit Lohnabrechnungen belegen können, dass die Abzüge effektiv getätigt wurden.