Das Geld von Mikrofinanz-Fonds geht an Leute in Entwicklungs- und Schwellenländern, die bei Banken zu wenig kreditwürdig sind: an arme Bauern und Gewerbetreibende – in Form von Kleinkrediten, Hypotheken und Versicherungen. Dies geschieht meist nicht direkt, sondern über lokale Institutionen: unter anderem alternative Banken, Kooperativen, Handelsfirmen. Die Mikrofinanz-Fonds geben ihnen Darlehen oder – seltener – kaufen ihre Aktien. Dafür erhalten sie Zinsen und Dividenden.
Die Wirkung der Mikrofinanz-Fonds vor Ort ist umstritten. In manchen Berichten ist von erfolgreichen Kleinunternehmen und Projekten die Rede. Es wurde aber auch schon viel Kritik laut. Zum Beispiel, dass solche Kredite in die Verschuldungsfalle führen können. Oder dass die Zinsen nicht wesentlich tiefer sind als sonst. Für Anleger ist es unmöglich, aus der Ferne zu beurteilen, ob das investierte Geld positive Wirkungen entfaltet.
Nur zwei Mikrofinanz-Fonds für das breite Publikum bewilligt
Und wie steht es mit der Rendite für die Anleger? Tatsache ist: Die Idee der Kleinkredite für Benachteiligte stösst bei Medien in der Schweiz auf viel Goodwill. Vielleicht deshalb schwärmen viele von den Vorteilen, die Mikrofinanz-Fonds den Anlegern angeblich bieten. «Die Mikrofinanz ist für Anleger attraktiv», hiess es etwa bei «SRF News aktuell». «Mikrofinanzanlagen sind eine Oase im Niedrigzinsumfeld», schrieb die «NZZ». «Microfinance-Sektor zeigt sich in turbulenten Zeiten robust», titelte die «Finanz und Wirtschaft», «Microfinance – geeignet auch für konservative Anleger» die «Sonntagszeitung». Und die «NZZ am Sonntag» hielt fest: «Kleinstkredite an Unternehmer in armen Ländern begeisterten früher vor allem Wohltäter. Doch weil die Kontozinsen gegen null tendieren, sind Mikrofinanz-Fonds nun plötzlich lukrativ.»
Auch Fintool, ein Internetportal für Finanz- und Anlagefragen, griff das Thema im vergangenen Dezember auf. Es wirbt für seine Videos so: «Einfacher und günstiger kommen Sie nirgends zu wissenschaftlich abgesichertem, unabhängigem und neutralem Finanzwissen.» In einem Video mit dem Titel «Nachhaltig: Konsum und Anlage» lautet die zentrale Aussage: «Die Rendite von Anlagefonds, die ausschliesslich in Mikrofinanzinstitute investieren, liegt jährlich bei 2 bis 3 Prozent. Das heisst, Sie als Investor in solche Anlagefonds können eine einigermassen vernünftige Rendite erwirtschaften.»
Wie sehen aber die Tatsachen aus? Die Finanzmarktaufsicht Finma hat für den Vertrieb ans breite Anlegerpublikum in der Schweiz lediglich zwei Mikrofinanz-Fonds bewilligt. Der weitaus grössere und ältere ist der Responsability Micro and SME Finance Fund mit einem verwalteten Vermögen von über 800 Millionen Dollar. Der Dollar ist auch die Basis-Währung des Fonds. Am meisten Geld liegt aber in einer Franken-Tranche mit Währungsabsicherung (ISIN LU0180190604). Es ist die von Schweizer Normalanlegern bevorzugte Tranche.
Dabei handelt es sich um einen thesaurierenden Fonds. Seine Überschüsse (Einnahmen minus Ausgaben) schüttet er nicht an die Anleger aus, sondern behält sie. Somit steigt das Vermögen des Fonds, und damit der Wert der Fondsanteile. Diese Wertzunahme ist die Rendite der Anleger. Sie ist nicht berauschend, wie die Zahlen über die vergangenen zehn Jahre zeigen (siehe Tabelle im PDF). Der Wert eines Fondsanteils stieg von Ende 2008 bis Ende 2018 um magere Fr. 11.64 – beziehungsweise durchschnittlich 1 Prozent pro Jahr. Ein wichtiger Grund dafür: Dem Fonds werden hohe jährliche Gebühren von 2,4 Prozent belastet. Und auch die variierenden Kosten für die Währungsabsicherung schlagen negativ zu Buche.
Steuern höher als die Wertzunahme der Fonds
Unter dem Strich sieht die RenditeRechnung noch unvorteilhafter aus. Was fast niemand berücksichtigt: die hohen, von den Anlegern zu bezahlenden Steuern, festgelegt durch die Eidgenössische Steuerverwaltung. Bei einem Steuersatz von 25 Prozent wurden in den vergangenen zehn Jahren Steuern von rund Fr. 12.60 pro Anteil fällig – etwa 1 Franken mehr als die Wertzunahme. Bei einem Steuersatz von 33,3 Prozent wurden fast Fr. 16.60 fällig – rund 5 Franken mehr, als der Fonds abwarf. Bankgebühren beim Kauf und fürs Depot drückten die Netto-Rendite noch tiefer ins Minus. Die Anleger zahlten also drauf.
Der zweite von der Finma bewilligte Fonds ist der jüngere: der Responsability Fair Agriculture Fund wurde im Dezember 2011 aufgelegt. Auch seine Fonds-Währung ist der Dollar. Er hat aber ebenfalls eine Franken-Tranche mit Währungsabsicherung (ISIN CH0142587366). Und auch bei ihm waren die von den Anlegern zu bezahlenden Steuern höher als die Wertzunahme. Bei einem Steuersatz von 25 Prozent resultierte ein Verlust von Fr. 1.50 pro Anteil. Bei einem Steuersatz von 33 Prozent betrug das Minus Fr. 4.20 (siehe Tabelle im PDF).
Sogenannt qualifizierte Anleger, also zum Beispiel sehr vermögende Personen, können auch andere Fonds kaufen. Etwa den mit 1,9 Milliarden Dollar sehr grossen Blueorchard Microfinance Fund. Die Franken-Tranche mit der ISIN LU0136928586 kam per Ende 2018 auf eine 10-Jahres-Rendite von 0,9 Prozent pro Jahr. Nach Steuern von 25 respektive 33,3 Prozent und Gebühren resultierte auch hier ein Ertrag unter Null.
Allgemein gilt: Die Renditen der USD-Tranchen von Mikrofinanz-Fonds sind höher. Mit ihnen geht man aber ein Währungsrisiko ein. Das kann gut gehen, aber auch zu Verlusten führen.
Frage an Christoph Gosdenoz, den Autor des Fintool-Videos: Mit welchen Fonds können Schweizer Anleger denn auf die von ihm behauptete Rendite von 2 bis 3 Prozent kommen? Seine Antwort: «Zu spezifischen Produkten und Anbietern möchte ich mich nicht äussern.»
Responsability verspricht «vorteilhaftere Besteuerung»
Laut Ulli Janett, Mediensprecherin von Responsability, wird sich das Ertrag-Steuer-Verhältnis bei der Franken-Tranche ihres Micro and SME Finance Fund verbessern. Ein neues Gutachten der Eidgenössischen Steuerverwaltung komme zum Schluss, dass der Fonds die Kosten der Währungsabsicherung künftig abziehen könne. Janett rechnet damit, dass «dies zu einer vorteilhafteren Besteuerung der Erträge von Privatanlegern führen wird». K-Geld konnte das erwähnte Gutachten allerdings nicht einsehen.