K-Geld-Leser Hanspeter Eugster (Name geändert) aus Herbetswil SO investierte im Oktober 2019 55'000 Franken in die Tradingplattform CodexFX. Das Geld floss nach Prag an die Business Credit SRO und nach Tallin, Estland, an die GoldenCrypto OÜ. Bei CodexFX handelte es sich um eine Handelsplattform mit Sitz im Steuerparadies Marshallinseln im Pazifischen Ozean. Angeboten wurde der Handel mit Kryptowährungen wie Bitcoin, Devisengeschäften (Forex) und Differenzkontrakten (CFDs) – alles hochspekulative Geschäfte, bei denen unerfahrene Anleger mit hohen Verlusten rechnen müssen.
Bei Hanspeter Eugster sah es zunächst ganz anders aus: Er machte angeblich riesige Gewinne. Sein Kontoguthaben stand schliesslich bei sagenhaften 620'000 US-Dollar. Ein Ausstieg sei jederzeit möglich, sicherten ihm die CodexFX-
Verantwortlichen zu. Es gebe nur eine Bedingung: Er müsse vor dem Schliessen des Kontos eine Voreinzahlung von 19 Prozent als «Broker-Kommission» leisten – also nochmals 117'800 Franken einschiessen.
Eugster wurde misstrauisch und fragte K-Geld um Rat. Die Empfehlung lautete: in der Schweiz Strafanzeige einreichen und das investierte Geld innerlich abschreiben. Denn hier lag ein klassischer Vorschussbetrug vor. Die angeblichen Gewinne waren nicht real, sondern wurden von den Betrügern nur fingiert, um später Kommissionen für die angebliche Auszahlung der «Gewinne» zu verlangen. Jährlich fallen in der Schweiz Tausende auf diese Masche herein. Eugster fand sich zähneknirschend mit dem Verlust ab und erstattete Anzeige.
Gegen Vorauszahlung hohen Gewinn versprochen
Vor kurzem wurde der Solothurner erneut kontaktiert – vier Jahre nach dem Betrug. Anfang Juni dieses Jahres schrieb ihm ein «Markus Felix Spillmann» ein E-Mail. Dieser gab sich als «Verwaltungsrat mit Einzelunterschrift» von Binance aus. Binance ist eine legale Handelsplattform, auf der sich Kryptowährungen handeln lassen. Spillmann versprach Eugster, das «verlorene» Geld zurückzuholen. Es sei sogar noch viel mehr zu holen: Eugster stünden nun 790 Bitcoin zu, die einen Wert von 1,99 Millionen US-Dollar hätten.
Dazu brauche Eugster nur ein sogenanntes «wallet» (also eine virtuelle Brieftasche), bei dessen Einrichtung Spillmann gern behilflich sei. Die Bitcoins würden dann innerhalb von 10 bis 30 Minuten auf dieses «wallet» überwiesen. Es würden «bloss» 19 Prozent Verwaltungskosten und 2 Prozent «Synchronisierungskosten» anfallen, die Eugster dann von seinem Bankkonto überweisen könne.
Fakt ist: Spillmann ist weder Mitarbeiter von Binance noch Verwaltungsrat. Vermutlich ist Spillmann auch nicht der richtige Name des E-Mail-Verfassers. Dieser hatte beim Schweizer Anbieter Proton lediglich anonym eine E-Mail-Adresse erstellt, die das Wort «binance» enthielt: binance.spillmann@proton.me. Der angebliche Markus Spillmann versuchte zudem, mit vermeintlichen Schweizer Telefonnummern Vertrauen zu schaffen. Heute ist es ganz einfach, eine Telefonnummer mit einer bestimmten Ländervorwahl zu erstellen.
Eugster sollte also ein weiteres Mal eine Voreinzahlung tätigen. Wäre das geschehen, hätte er danach kaum je wieder etwas von Herrn «Spillmann» gehört.
Der Fall zeigt: Opfer solcher Betrügereien müssen auch lange nach einer Tat mit weiteren Kontaktaufnahmen rechnen. Denn bei der Registrierung verlangen die Kriminellen von den «Kunden» häufig Kopien von amtlichen Dokumenten wie Identitätskarten oder Pässen. Oft müssen die Betroffenen auch detaillierte Adressangaben und manchmal sogar Steuerdokumente liefern. Das ist eine Fundgrube für organisierte Kriminelle, die Handelsplattformen wie CodexFX betreiben. «Markus Felix Spillmann» nahm gegenüber K-Geld zu den Vorwürfen nicht Stellung.