Zu Jahresbeginn waren Tageszeitungen und Finanzpresse wieder voll von Prognosen von Experten zur Entwicklung der Finanzmärkte. Was diese Vorhersagen taugen, zeigt der Blick ein Jahr zurück.
Anja Hochberg war Chefin für Anlagedienstleistungen bei der Credit Suisse. Sie sagte laut dem Magazin «Schweizer Personalvorsorge»: «Wir gehen von einer Fortsetzung der eindrücklichen Rally aus.» Aus dem Börsenjargon übersetzt heisst das: Hochberg erwartete weiterhin sehr stark steigende Aktienkurse. Sie sagte, der Swiss Market Index (SMI) steige bis Ende 2018 auf 9680 Punkte. Tatsächlich notierte der SMI Ende Dezember bei 8430 Punkten. Er legte nicht zu, sondern büsste im Jahresverlauf einen Zehntel seines Werts ein.
Noch deutlicher daneben lagen Hochbergs männliche Branchenkollegen. Daniel Kalt, Chefökonom der UBS Schweiz, und Anastassios Frangulidis, Chefstratege der Privatbank Pictet, gingen in der «Schweizer Personalvorsorge» davon aus, dass der SMI bis Ende 2018 sogar auf 10 000 Punkte klettern würde.
Auch die Vermögensverwalter André Kistler von Albin Kistler, Marc Possa von der VV Vermögensverwaltung und Lars Kalbreier, Anlagechef bei Vontobel Asset Management, gingen in einem Interview in der Zeitung «Finanz und Wirtschaft» für 2018 von höheren Notierungen an den wichtigen Aktienmärkten aus.
Nur Martin Neff, Chefökonom bei Raiffeisen, äusserte sich punkto Gesamtmarkt zurückhaltend: «Ich glaube nicht, dass Aktien so ein Bombenjahr haben werden wie 2017», sagte er in einem Video-Interview mit der Nachrichtenagentur AWP. Dafür blamierte er sich mit einem konkreten Kauftipp für eine einzelne Aktie: «Ich stehe sehr stark auf Ypsomed. Ich finde das eine gute Firma», sagte er Ende 2017. Die Aktien des Berner Produzenten von Insulinspritzen gaben 2018 um rund 27 Prozent nach – sogar unter Berücksichtigung der Dividende.
Goldpreis: Ein Fachmann schätzte goldrichtig, der andere lag total falsch
Dass Empfehlungen für einzelne Aktien Glückssache sind, beweist zudem folgendes Beispiel: Marc Possa empfahl Ende 2017 in der «Finanz und Wirtschaft» die Aktien von AMS, Hersteller von Sensoren für Mobiltelefone, zum Kauf. Den Kauftipp begründete Possa mit der «exzellenten Positionierung in einem zukunftsträchtigen Bereich». Die Zukunft sah anders aus: AMS-Aktien büssten 2018 (inklusive Dividende) 73 Prozent an Wert ein.
Das hatte Vermögensverwalter André Kistler kommen sehen:
«Die Kombination von hohen Wachstumserwartungen und ein Halbleiterzyklus nahe dem Höchst macht die Aktie unattraktiv», prognostizierte er richtig,
Auch punkto Tipps zu Währungen und Gold hatte er eine gute Nase. Er schätzte, dass Ende 2018 ein Euro Fr. 1.13 kosten würde.
Der Euro-Kurs lag an Silvester bei Fr. 1.1283. Den Goldpreis sah André Kistler für diesen Zeitpunkt bei 1300 Dollar pro Feinunze. Tatsächlich kostete sie zur Jahreswende knapp 1280 Dollar. Wiederum viel zu optimistisch war jedoch Vermögensverwalter Marc Possa. Er sagte 1550 Dollar pro Feinunze voraus – also 21 Prozent mehr als der tatsächliche Preis.