Zusammen mit zwei Mitbewohnern besitze ich ein Haus. Ich bin der Kassier in unserer Gemeinschaft. Monat für Monat kontrolliere ich, ob alle ihre Beiträge pünktlich bezahlt haben. Ein Dauerauftrag ist im Bankwesen der USA eine exotische Besonderheit. Vor allem ist er nicht verlässlich, selbst wenn das Geld innerhalb derselben Bank überwiesen wird. Vor kurzem stiess ich auf einen besonderen Posten im Kontoauszug: Uns war eine Checkzahlung in der Höhe von umgerechnet 5400 Franken gutgeschrieben worden. Keiner der Mitbewohner wusste, woher das Geld stammen könnte.
Der Check ist in den USA immer noch das beliebteste Zahlungsmittel, um Geld zwischen Privatpersonen und Unternehmen zu bewegen. Selbst Transfers zwischen Finanzhäusern werden oft auf diesem Weg abgewickelt. In der übrigen Welt lassen sich Geldbeträge heute sogar von einem Land zum anderen schnell und nahezu kostenlos überweisen. Dem Bankensystem der USA allerdings fehlt eine zentrale Instanz, die einen solchen Transfer ermöglichen könnte.
Es gibt zwar Überweisungen, aber die sind kompliziert und teuer. Darum schreiben die meisten US-Bürger monatlich einen Stapel an Checks, um ihre Miete und ihre Stromrechnung zu begleichen. Sie stecken die Checks in einen Briefumschlag und versenden sie mit der Post. Günstige Alternativen sind Apps wie Paypal oder Venmo. Aber ihnen trauen viele wegen des Internets nicht über den Weg. Checks dagegen gelten als handfest und sicher – obwohl die Fakten eine andere Sprache sprechen: 77 Prozent aller Finanzdelikte basieren auf Checkbetrug.
Die Checkgutschrift, die irrtümlich auf unserem Hausgemeinschaftskonto landete, wurde von einer unbekannten Bank zugestellt. Jemand wollte wohl eine Rechnung begleichen, gab seiner Bank den Auftrag und nannte dabei eine falsche Kontonummer. Anders als die europäischen Kontonummern (IBAN, International Bank Account Number) sind diese Nummern nicht gegen Zahlenverdreher gesichert. Offenbar glich niemand den Empfängernamen mit der Nummer ab.
Bisher ist es mir nicht gelungen, das Geld wieder loszuwerden. Ein Mitarbeiter des Kundendiensts unserer Bank meinte dazu nur, dass der Check unserem Konto korrekt gutgeschrieben worden sei und das Geld nun uns gehöre. Ich bin gespannt, ob der rechtmässige Eigentümer seinen Verlust bemerkt und nach dem Geld forscht. Das US-Checksystem hat offenbar auch Lotteriecharakter. Möglicherweise ist es darum so beliebt.