Beat Brunner aus dem Grossraum St. Gallen (Name geändert) ist sauer. Er hatte auf dem Immobilienportal Homegate eine Maisonette-Wohnung zur Vermietung inseriert: 5,5 Zimmer, überdurchschnittlicher Ausbaustandard, integrierter Keller mit Hobbyraum – und das alles in einem neuen Vierfamilien-Haus in Wetzikon ZH.
Die geringe Nachfrage verwunderte ihn. Doch dann entdeckte er sein Inserat auf der Website von Comparis – bewertet mit der Schulnote 3,2. Bei Comparis bedeutet das: ungenügend und im Vergleich sehr teuer. Damit war für Brunner klar, warum seine Wohnung auf nur wenig Interesse stiess.
Der Hintergrund: Der Online-Vergleichsdienst Comparis durchsucht im Internet Immobilienportale und schaltet die dort gefundenen Inserate ungefragt auch auf der eigenen Website auf. Dieser Inserate-«Klau» ist gerichtlich abgesegnet.
Bei Wohnungen – sowohl zur Miete wie zum Kauf – ergänzt das Vergleichsportal die Inserate mit einer eigenen Bewertung. Mit einer Schulnote von 1 bis 6 will Comparis zeigen, wie sich der jeweilige Preis zum Durchschnittspreis vergleichbarer Angebote im selben Postleitzahlenbereich verhält.
Das Problem liegt bei der Vergleichbarkeit. Denn Comparis erstellt die Bewertung aufgrund nur weniger Kriterien. Oft sind es lediglich Postleitzahl und Wohnfläche. Falls bekannt, kommen als Kriterien noch Balkon, Lift, Sitzplatz oder Cheminée dazu. Andere entscheidende Merkmale, wie individueller Ausbau, exklusive Ausstattung, Bauqualität, Anbindung an den öffentlichen Verkehr und die konkrete Lage, bleiben unberücksichtigt.
Bei Brunners Wohnung etwa fielen die überdurchschnittliche Ausstattung, die ökologische Bauweise sowie die grosse Terrasse bei der Bewertung unter den Tisch. Sein Angebot erschien damit im Vergleich zu anderen Wohnungen zu teuer.
Brunner ist mit seinem Ärger nicht allein. Einem anderen Betroffenen schrieb das Immobilienportal Homegate: «Vielen unserer Kunden ist die eigene Bewertung von Comparis ein Dorn im Auge.» Auch der Hauseigentümerverband Schweiz lehnt die Comparis-Bewertung ab. Wichtige Aspekte würden ignoriert.
Brunner wandte sich an Comparis und verlangte die Löschung der Note. Er berief sich auf den Datenschutz. Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür sagt zur Rechtslage: «Die Bearbeitung von allgemein zugänglichen Daten aus dem Internet ist in der Regel zulässig, wenn die betroffene Person dies nicht ausdrücklich untersagt.» Verlange hingegen jemand die Löschung der Daten, müsse dieser Wunsch respektiert werden. Nur ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse könnte laut Thür rechtfertigen, den Wunsch der betroffenen Person zu ignorieren.
Comparis verweigerte die Löschung des Inserats von Beat Brunner mit dieser Begründung. Und: «Die Noten sind beliebt», sagt Comparis-Sprecher Felix Schneuwly. «Sie sorgen für Transparenz im Immobilienmarkt und entsprechen dem öffentlichen Interesse.»
Doch nicht allein das öffentliche Interesse zählt. Denn solche Vergleiche dürfen die Konsumenten auch nicht irreführen. Genau diesen Vorwurf muss sich die Comparis-Bewertung aber gefallen lassen. «Aus oberflächlich ermittelten Merkmalen resultiert keine seriöse Bewertung», kritisiert Lorenz Heim vom VZ Vermögenszentrum. «Das Resultat ist ungenau und bestenfalls eine Spielerei.»
Und Ursula Widmer, Rechtsanwältin und Dozentin für Informatik- und Internetrecht an der Uni Bern, bemängelt: «Comparis klammert bestimmte preisrelevante Merkmale konsequent aus dem Vergleich aus und berücksichtigt andere Aspekte nur, soweit die Angaben im Inserat vorhanden sind. So werden nicht für alle Inserate dieselben Vergleichskriterien angewendet.» Damit sei für Interessenten letztlich unklar, wie sie die Note interpretieren müssten.
Zwar zählt Comparis die verwendeten Merkmale auf. Doch das genügt nicht, um das Defizit auszugleichen, ergänzt Widmer. Comparis hingegen sieht kein Problem: «Die Noten sind eine Entscheidungshilfe», erklärt Schneuwly.
Ob die Benotung des Portals irreführend ist, könnte nur ein Gericht klären. Zu einer Klage kam es bisher nicht. Dasselbe gilt für die Frage, ob Comparis gegen den Willen des Inserenten dessen Daten bearbeiten und publizieren darf.
Felix Brunner konnte sich letztlich nur mit einem Trick wehren: Er bezeichnete im Inserat die Wohnung, die sich wie ein Reihenhaus über zwei Stockwerke und ein integriertes Kellergeschoss erstreckt, als «Hausteil». Und da Comparis bisher keine Häuser bewertet, fiel er endlich aus dem Benotungssystem heraus.
Tipps: So bekämpfen Sie die unerwünschte Bearbeitung und Publikation Ihrer Daten
Laut Datenschutzgesetz können Betroffene dagegen einschreiten, dass ihre Daten gegen ihren Willen publiziert werden. Es sei denn, ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse rechtfertige die Veröffentlichung. So können Sie vorgehen:
- Schreiben Sie der Person oder dem Unternehmen, das Ihre Daten bearbeitet und publiziert, dass Sie damit nicht einverstanden sind. Verlangen Sie eine Bestätigung dafür, dass die bearbeiteten Daten keinen Dritten zugänglich gemacht und vernichtet werden. Setzen Sie dazu eine Frist von beispielsweise zehn Tagen.
- Falls Sie keine oder eine abschlägige Antwort erhalten, können Sie beim Gericht auf eine Publikationssperre und Vernichtung der Daten klagen. Zuständig ist das Gericht an Ihrem Wohnort oder dem Sitz der Gegenpartei. Die Klage ist bei der Schlichtungsbehörde einzureichen.