K-Geld-Leser Ruedi Jaun (Name geändert) aus Zürich kaufte vor über zehn Jahren 292'270 Aktien der Goldschürffirma Condor Gold and Minerals aus Las Vegas (USA). Der Preis: 140'000 US-Dollar. Es handelte sich um «Pennystocks». Das sind Aktien mit Kleinstwerten von wenigen Cents pro Titel.
Condor Gold wurde Jaun per «Cold Calls» angedreht. Das heisst: Aktienverkäufer meldeten sich ungefragt aus Callcentern und überredeten ihn am Telefon zum Kauf – mit der Aussicht auf einen glorreichen Börsengang des Unternehmens.
Doch die Goldschürfer aus Las Vegas fanden kein Gold. Im Gegenteil: Sie setzten Millionen in den Sand. Hunderte Anleger verloren ihr Geld. Ab 2012 erhielten sie das Angebot, ihre wertlosen Aktien in Wertpapiere der Aviara Mining aus Las Vegas umzutauschen, bei welcher der Schweizer Norman Victor Meier (48) im Management sass. Das gleiche Spiel ging von vorn los. Auch diese Anlage war ein Reinfall. Die Investoren sitzen seither auf ihren wertlosen Aktien (K-Geld 1/2014).
Vor einem Monat erhielt Ruedi Jaun erneut Anrufe. Es meldete sich ein «Doktor Michael Ahrens» von der iCrypto Systems mit angeblichem Sitz in New York. Jaun wurde misstrauisch und zeichnete die Anrufe auf. In geschliffenem Hochdeutsch stellt sich «Doktor Ahrens» vor: «Ich bin für den Sale zuständig für den europäischen Markt», und er sei auch «Vorstandsmitglied und CFO, also der Finanzaufsichtsberater im Unternehmen». Er kümmere sich um die «Übernahme der Insolvenzmasse der Aviara/Condor». Eigentlich wolle er die Aktien nicht: «Die Aktien gehen uns, wenn ichs deutlich sagen darf, am Arsch vorbei.» Aber: «Wir wollen die Grundstücke, die Immobilienwerte, das ist für uns interessant», so Ahrens.
Ein verlockendes Geschäft – für eine kleine «Zuzahlung»
Folgendes Geschäft wollte er Jaun vorschlagen: Für die wertlosen 292'270 Aviara/Condor-Aktien zahle die iCrypto Systems pro Stück Fr. 1.90, total 555'313 Franken. Das Geld werde in Form von 25 Bitcoins auf ein Konto (Wallet) auf der iCrypto-Website einbezahlt. Die Wallet-Eröffnung koste 200 Franken. Als Kennenlernangebot gebe es aber eine Gutschrift von 300 Franken. So habe Jaun bereits 100 Franken vorwärtsgemacht.
Nach der Eröffnung des Wallets müsse Jaun für die halbe Million Franken nur eine «Zuzahlung» von 8162 Franken leisten. Dieses Geld könne er per Kreditkarte auf ein Konto bei der «Eastern Bank» in Lynn (USA) zuhanden einer Firma namens «Treuhand» überweisen. Laut Ahrens besitze die iCrypto Systems eine Banklizenz der Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma). Und weiter: «Unsere Meldeadresse ist die Bundesgasse 3 in Bern. Wir haben ein operatives Büro, wir sitzen direkt im Gebäude der Finma.» Und da die Zahlung immer an einen «staatlich geprüften Treuhänder» gehe, sei das Prozedere für Jaun sicher.
Sicher ist aber nur eines: Die iCrypto ist von der Finma nicht lizenziert, das bestätigt deren Sprecher. Von der iCrypto gibt es nur eine Briefkastenadresse und eine Website, im Handelsregister findet man die Firma nicht. Das Vorgehen des «Doktor Ahrens» scheint auf einen Vorschussbetrug hinauszulaufen. Davon spricht man, wenn Betrüger versuchen, für angebliche spätere Überweisungen vorher Spesen zu verlangen. Ruedi Jaun war vorsichtig und zahlte den verlangten Betrag nicht.
Auch weitere Leser meldeten sich wegen der iCrypto bei K-Geld. So etwa Reto Turner (Name geändert) aus Zürich. Ihm versprach ein weiterer CEO der iCrypto Systems namens «Marcel Baumann» pro Aktie Fr. 10.40 – fast zehn Mal mehr als Ruedi Jaun. Der gesamte «Verkaufspreis» betrage Fr. 104'000.–. Dafür sollten Turner 4,88 Bitcoins gutgeschrieben werden. Das Geld für die «Zuzahlung», 9048 Franken, solle er an die Wells Fargo Bank in San Francisco überweisen – zuhanden einer Firma namens «Discovery».
Und immer wieder der Name Norman Victor Meier
Alle genannten Unternehmen haben eines gemeinsam: Früher oder später trifft man auf das Umfeld des Schweizers Norman Victor Meier. Als die Aktienverkäufe bei Aviara vor Jahren im grossen Stil starteten, war er «Treasurer» bei der Firma, also Kassier. Heute präsentiert er sich etwa auf der Website Moneyraisingmasterclass.com als erfolgreicher Millionensammler und Selfmade-Millionär. Auf dem gleichen Internetserver, auf dem sich diese Website befindet, wird eine ganze Reihe weiterer Websites verwaltet – beispielsweise jene der iCrypto Systems sowie solche verschiedener Goldschürfer- und Aktienverkaufsfirmen.
Meier ist auch in England aktiv. So gründete er zum Beispiel die «Treuhand Ltd» sowie die «Treuhand Konto Ltd» in London. Wenn Anleger bei der iCrypto Systems Gelder per Kreditkarte überweisen sollen, dann gehen diese an eine «Treuhand» mit Europasitz an genau den Adressen, an denen Norman Meier seine England-Treuhandfirmen eintrug.
Meier ist in mehrere erfolglose Bergbauunternehmen wie etwa Condor Gold Corp., Hemis Inc. oder Tecton Corp. involviert. Sie sorgten für Millionenverluste bei Aktionären, die wegen Telefonverkäufern investierten. Erst kürzlich sorgte Meier wieder für Ärger: In Deutschland untersagte die Finanzaufsicht Bafin der Pegasus-Development-Gruppe aus Chur, Aktien der Pegasus Development Inc. aus den USA anzubieten. Die Pegasus Development AG in der Schweiz wurde von der Schweizer Finanzmarktaufsicht liquidiert. Direktor der Pegasus Development Inc. ist Norman Meier.
Norman Meier schreibt K-Geld, er sei «als Berater für verschiedene Firmen tätig» und mache neben Firmengründungen auch Websites und Marketing. Wenn er für Klienten eine Firma gründe, dann bedeute das nicht, dass es seine Firma sei. «Mit Aviara und den anderen erwähnten Firmen habe ich nichts zu tun.»