Anton Meile aus Grabs SG stiess im Januar in der Lokalzeitung «Werdenberger & Obertoggenburger» auf einen Anlagetipp von François Bloch. Diese Tipps finden sich regelmässig in Zeitungen, die zum Aargauer Verlag CH Media gehören. Bloch empfahl ein strukturiertes Produkt mit einem Jahreszins von 26,25 Prozent. Er propagierte einen sogenannten Barrier Reverse Convertible (BRC) auf die Aktien von Solaredge und Nextera. Das sind zwei Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien. Mit einem BRC kaufen Anleger keine Aktien, sondern ein Produkt, das mit den Aktien mehrerer Gesellschaften verknüpft ist (siehe Kasten).
Je mehr Aktien mit einem Produkt verknüpft sind, desto höher das Risiko
Meile wusste, dass der versprochene Jahresgewinn von 26,25 Prozent mit Vorsicht zu geniessen ist. Denn dieser ist davon abhängig, dass die Papiere von Solaredge und Nextera nicht zu stark schwanken. Unter dem Strich ist der BRC der Luzerner Kantonalbank eine Wette darauf, dass keiner der beiden Aktienkurse mehr als 45 Prozent sinkt. Je mehr Aktien mit einem solchen Zertifikat verbunden sind, desto grösser ist das Risiko, dass eine davon unter die im Produkt definierte Barriere fällt.
Falls dies eintrifft, erhalten Anleger ihr investiertes Kapital nicht zurück, sondern müssen die Aktien des betroffenen Unternehmens zu einem sehr ungünstigen Kurs übernehmen – also ein Verlustgeschäft. Es kann zwar sein, dass diese Aktien sich später wieder erholen. Aber eine Garantie gibt es nicht. Der Zins, den man in jedem Fall erhält, ist ein schwacher Trost.
Dass BRC die Barriere verletzen, kommt nicht selten vor. Das zeigt eine Auswertung von K-Geld der vergangenen 5 Jahre. 2020 wurden total 21 782 BRC und ähnliche Produkte an der Schweizer Börse gehandelt. Davon verletzten 7209 die Barriere – also jeder Dritte (siehe Tabelle im PDF). Die meisten davon im März während der ersten Corona-Welle. Seither sitzen viele betroffene Anleger auf den unerwünschten Aktien. Sie können nur hoffen, dass sich deren Kurse so stark erholen, dass der künftige Verkaufserlös den ursprünglich für den BRC gezahlten Preis übertreffen wird. 2017 und 2018 verletzten 22,2 respektive 29,5 Prozent die Barriere. Lediglich 2016 und 2019 blieb diese Quote im tiefen einstelligen Bereich. Die Zahl der BRC, die an vier und mehr Aktienkurse geknüpft sind, nimmt zu. Damit steigt auch das Risiko, dass eine Barriere geknackt wird.
Anton Meile liess sich nicht auf die Wette auf die Aktienkurse von Solaredge und Nextera ein. Der Verlag CH Media hätte ihm den Verlust wohl nicht ersetzt.
So funktionieren Barrier Reverse Convertibles (BRC)
Mit einem Barrier Reverse Convertible – abgekürzt BRC – kauft man keine Aktien, sondern ein Zertifikat, dessen Wert mit dem Aktienkurs mehrerer Gesellschaften verknüpft ist. Jeder BRC hat eine festgelegte Laufzeit. Passiert an den Aktienmärkten in dieser Periode nichts Aussergewöhnliches, erhält der Anleger am Ende der Laufzeit sein investiertes Kapital zurück plus einen bestimmten Zins pro Jahr. Jeder BRC hat sogenannte Barrieren. Fällt der Kurs einer der im Produkt genannten Aktien während der Laufzeit unter diesen Wert, erhalten Anleger nicht das investierte Kapital zurück, sondern Aktien der betreffenden Gesellschaft. Das ist häufig mit einem grösseren Verlust verbunden.