Zum Beispiel Arno Burger aus dem Raum Winterthur (Name geändert): 2005, also vor der Finanzkrise, legte der Kunde der Zürcher Kantonalbank auf Empfehlung seines Beraters rund 200000 Franken in isländische Anleihen an – rund 10 Prozent seines Vermögens. Nach Ablauf der Laufzeit wurde das Geld zwar in der isländischen Landeswährung zurückbezahlt. Damit sitzt Burger jetzt aber auf rund 10 Millionen Kronen, die aktuell gerade noch rund 50000 Franken wert sind. Da die Krone noch immer nicht frei handelbar ist, zahlen Banken nur einen Kurs von rund 50 Rappen für 100 Kronen.
Oder Regina Rellstab aus Basel (Name geändert): Die Kundin der Credit Suisse investierte im Februar 2007 auf Empfehlung ihres Beraters 70000 Franken in eine Anleihe der isländischen Landsbanki. Das waren 20 Prozent ihres Gesamtvermögens. Die Landsbanki schlitterte im Oktober 2008 der Insolvenz entgegen und wurde deshalb vom isländischen Staat übernommen. Im Rahmen des Nachlassverfahrens erhielt Rellstab im vergangenen März 13000 Franken zurückerstattet. Ihr Verlust beträgt über 80 Prozent der Anlagesumme.
Weder die Credit Suisse noch die Zürcher Kantonalbank sehen eine Mitverantwortung. Die Kunden hätten den Kaufentscheid nach erfolgter Beratung selbst gefällt. Eine Entschädigung komme nicht in Frage. Die Zürcher Kantonalbank rechtfertigte sich gegenüber Arno Burger auch mit der Aussage: «Die ganze Finanzbranche wurde von dieser Krise überrascht.»
«Wir sehen Risiken für die isländische Krone»
Das stimmt mit Blick auf Island so nicht. Am 20. November 2006, knapp zwei Jahre vor Ausbruch der Bankenkrise, veröffentlichte die Credit Suisse einen Bericht zur isländischen Krone. Analyst Sven Schubert warnte vor einer Überhitzung der isländischen Volkswirtschaft. Seine Analyse gipfelte im Satz: «Wir sehen somit Risiken für die isländische Krone im 2007.»
Die warnende Stimme wurde nicht einmal im eigenen Haus ernst genommen. Berater der Credit Suisse – nicht alle – verkauften munter weiter Islandpapiere, so am 28. Februar 2007 an die Basler Kundin Rellstab. Auf diesen Widerspruch hingewiesen, nahm die Bank nicht Stellung. Auch die Zürcher Kantonalbank bot noch im März 2007 ein gutes Dutzend Anleihen in isländischer Währung auf ihrer Empfehlungsliste zum Kauf an.
Bankenombudsmann: «Kunden unbedingt vermehrt begleiten»
In der ersten Jahreshälfte 2008 traf dann ein, was CS-Analyst Schubert vorausgesagt hatte: Die isländische Krone verlor merklich an Wert. ZKB-Kunde Burger wandte sich deshalb nach eigener Aussage mehrmals besorgt an seine Bank, ohne dass sein Berater zum Verkauf der Papiere geraten haben soll. Burger erhielt zwar später von der ZKB eine Entschädigung von 20000 Franken – ein Bruchteil seines Verlusts. Die Abgeltung erhielt er wohl nur, weil er sich hartnäckig wehrte und die Bank ihn mit einem Vermögen von 2 Millionen Franken als gewichtigen Kunden nicht verlieren wollte.
Die weniger begüterte Credit-Suisse-Kundin Rellstab blitzte mit allen Schadenersatzforderungen ab. Obwohl ein Fünftel ihres Vermögens in isländischen Kronen steckte, wollte die Grossbank auch keine Verantwortung für das Klumpenrisiko anerkennen. Die Risikostreuung sei Sache der Kundin, argumentierte die Bank gegenüber dem damaligen Bankenombudsmann Hanspeter Häni. Dieser hielt demgegenüber fest: «Die Bank als Anlage-Expertin sollte hier ihre Kunden unbedingt vermehrt begleiten und gegebenenfalls abmahnen.» Im Klartext: Die Bank hätte die Kundin vor der zu grossen Anlage in isländischer Währung warnen müssen.
Währungsverluste: Der Fiskus schöpft zu hohe Steuern ab
Anleger, die auf Verlusten mit isländischen Kronen sitzen, werden zusätzlich von den Steuerbehörden bestraft. Arno Burger, der rund 150000 Franken verloren hat (siehe Hauptartikel), ärgert sich: «Tatsache ist, dass sich der Fiskus an der misslichen Lage der Besitzer von isländischen Kronen bereichert.» Die Steuerverwaltung lege einen Devisenkurs fest, der weit über dem Kurs liege, den Banken beim Umtausch zu zahlen bereit sind.
Tatsächlich veröffentlichte die Eidgenössische Steuerverwaltung Ende 2015 in ihrer Kursliste einen Devisenkurs von Fr. 0.7696 pro 100 isländische Kronen. Er entspricht dem Umrechnungskurs, den die isländische Zentralbank Ende 2015 publizierte.
Dieser Kurs ist allerdings ein Phantom. Da die isländische Währung auch acht Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise nicht frei handelbar ist, erhalten Bankkunden, die Kronen in Franken wechseln wollen, einen viel schlechteren Kurs. Burger wurde in den letzten Jahren ein Kurs zwischen 42 und 46 Rappen für 100 Kronen angeboten.
K-Geld fragte die Eidgenössische Steuerbehörde, ob Besitzer isländischer Kronen diese statt zum offiziellen zum realistischen Kurs versteuern dürfen. Antwort: Es sei nicht auszuschliessen, dass die zuständige kantonale Steuerbehörde «einen von der Publikation der Kursliste der Eidgenössischen Steuerverwaltung abweichenden Umrechnungskurs akzeptieren würde».
Kronen-Millionär Burger klopfte mit dieser Info sofort bei den Zürcher Steuerbehörden an. Barbara Camponovo von der Wertschriftenabteilung reagierte verständnisvoll. Sie hiess einen im Interbankenhandel üblichen Kurs von Fr. 0.5450 für 100 Kronen gut. Burger spart so immerhin rund 150 Franken Steuern im Jahr.
Die Pressestelle der Credit Suisse nannte K-Geld einen offensichtlich falschen Kurs: «Der Kunde erhält einen Kurs von Fr. 0.7190.» K-Geld bat Burger, der auch CS- Kunde ist, diese Angabe bei seiner Filiale zu überprüfen. Mit Stichtag 13. Mai offerierte sie ihm Fr. 0.5450 für 100 Kronen – 17 Rappen weniger. Wie es zu dieser Differenz kam, mochte der CS-Sprecher nicht erklären.