Das Börsengesetz regelt den gewerbsmässigen Handel mit Anlagen. Es verpflichtet die Händler, ihre Kunden über Geschäftsarten und Produkte aufzuklären, die besondere Risiken aufweisen können.
Wenn sich Kunden für die Eröffnung eines Wertschriftendepots interessieren, erhalten sie deshalb bei den meisten Banken als Grundlage die Broschüre «Besondere Risiken im Effektenhandel», erschienen 2008. Die Broschüre deckt vom Optionsgeschäft über Futures bis zu strukturierten Produkten die ganze Palette der Finanzprodukte ab.
«Generalversammlungen sind informativer als diese Broschüre»
Wie verständlich ist dieses dreissig Seiten dicke Werk? K-Geld machte die Probe an der Zürcher Bahnhofstrasse. Beim Eingang zum UBS-Hauptsitz zeigen Dutzende von TV-Monitoren die aktuellen Börsenkurse. Ein beliebter Treffpunkt von Börseninteressierten, die nicht allein vor dem PC die Märkte verfolgen, sondern mit Gleichgesinnten fachsimpeln wollen.
Einer von ihnen ist Walter Bodenmann. Der pensionierte Polier liest jeden Morgen bis anderthalb Stunden die NZZ. Dann macht er sich auf in die Stadt. Er hat Aktien einiger Unternehmen. Er beobachtet den Markt und wartet auf günstige Gelegenheiten zum Einstieg. Im Moment ist er mit Logitech sehr gut im Rennen. «Die Aktie ist jetzt über 13 Franken – gekauft habe ich sie zum halben Preis», freut er sich. «Selbstverständlich besuche ich wenn möglich auch die Generalversammlungen. Dort erhalte ich einen persönlichen Eindruck von den Verantwortlichen und deren Zielen», erklärt er. Das gebe ihm ein besseres Gefühl als eine Broschüre. Mit «Besondere Risiken im Effektenhandel» kann Bodenmann nicht viel anfangen: «Ich kaufe keine exotischen Anlagen, von denen ich nichts verstehe», sagt er. «Daran ändert auch eine Broschüre nichts.»
Ein anderer Börsianer gesellt sich dazu. Philipp Schmid kann der Dokumentation ebenfalls nichts Gutes abgewinnen: «Das ist doch primär für die Banken und nicht für die Kunden», ist er überzeugt. So könnten sie bei einem Reinfall alles auf den Kunden abwälzen, da ja über sämtliche Details informiert worden war. «Die meisten Banker verstehen diese komplexen Finanzgebilde selber nicht», ist Schmid überzeugt.
Ein neu hinzugekommener Kollege liest vier von K-Geld ausgewählte Abschnitte: «Das ist von Spezialisten für Spezialisten. Die machen sich mit Fachchinesisch wichtig – und der Laie versteht Bahnhof», so sein Fazit. Der börseninteressierte Passant Herbert Ruffi gibt ihm recht – er kämpft sich gerade durch den Text über die Partizipationsprodukte: «Das ist schon heavy», meint er. Erst als er den ganzen Abschnitt gelesen hat und nochmals von vorne startet, fällt der Zwanziger: «Ja, das könnte man doch einfacher formulieren», sagt er. Hingegen findet er die Erklärung zum Begriff Hedge Funds verständlich.
Auch Marcel Roca hat keine Mühe mit den vorgelegten Texten: «Wenn man sich mit der Thematik befasst, sind einem die Begriffe und Vorgänge klar.» Das Wichtigste für ihn: «Die Details sind nicht so entscheidend: Aber die Risiken müssen klar und deutlich genannt werden.» Er verweist auf den Hedge-Funds-Abschnitt, wo das seiner Meinung nach gut gelöst wird.
«Man muss die Bankberater mit ganz simplen Fragen löchern»
Ein älterer Herr, der anonym bleiben möchte, rät, nur Produkte zu kaufen, die man kennt und versteht. Und wie beim Arzt eine Zweitmeinung einholen: «Man muss herausfinden, ob der Bankberater mehr an seinem eigenen Kontostand oder am Wohl des Kunden interessiert ist.» Und wie? «Man muss ihn löchern. Und zwar mit ganz simplen Fragen: Wie viel verdient die Bank an diesem Produkt? Wie viel erhalten Sie als Berater persönlich?» Der Mann kritisiert: «In der Broschüre steht kein Wort über die Kosten.» Das erstaunt nicht. Herausgeberin der Broschüre ist die Bankiervereinigung – nicht gerade ein Institut des Anlegerschutzes.
Banken-Broschüre: Verstehen Sie das?
K-Geld legte Passanten diese Ausschnitte aus der Borschüre vor und fragte: «Verstehen Sie das?»
«Viele Produkte mit Partizipation beziehen sich auf mehrere Basiswerte und sehen vor, dass Sie als Anleger bei Verfall den Titel mit der schlechtesten (oder manchmal besten) Wertentwicklung erhalten (sei es physisch oder in bar), falls der Basiswert während der Laufzeit des Finanzinstrumentes einen vordefinierten Schwellenwert berührt, über- oder unterschreitet.»
«Das Risiko eines strukturierten Produktes mit Partizipation ist in der Regel dasselbe wie jenes des Basiswerts.»
«Als Hedge Funds gelten alle Formen von Anlagefonds, Investmentgesellschaften und Personengesellschaften, die derivative Produkte auch zu Investitions- und nicht nur zu Absicherungszwecken benutzen, Leerverkäufe (‹short sales›) tätigen können oder bedeutende Hebelwirkungen (‹leverages›) erzielen, indem sie Kredite aufnehmen.»
«Bei Assed Backed Securities (ABS) werden Risiken (z.B. verschiedene Forderungen) zusammengefasst und an ein Special Purpose Vehicle (SPV) übertragen. Das SPV finanziert diese Transaktion, indem es Wertschriften ausgibt, die durch einen Aktivenpool oder ein Portfolio gesichert sind. Man spricht von Mortgage-Backed Securities (MBS), wenn die Deckung aus Hypotheken besteht.»
Tipps: Den schönen Worten keinen Glauben schenken
- Misstrauen Sie Hochglanzprospekten, Inseraten und den schönen Worten, mit denen Banken und Versicherungen ihre Finanzprodukte anpreisen. Es gibt keine Patentrezepte. Wer Ihnen hohe Erträge bei tiefem Risiko verspricht, gaukelt Ihnen etwas vor.
- Seien Sie vorsichtig, wenn Ihr Bankberater ein neues Produkt oder eine angeblich «innovative Anlagestrategie» aus dem Hut zaubert. Kaufen Sie nur, was sich schon bewährt hat – in guten wie in schlechten Zeiten. Und zwar in der Wirklichkeit – und nicht in Computer-Simulationen.
- Verlangen Sie allfällige Anlagevorschläge immer schriftlich und lesen Sie alles genau durch – vor allem auch die Risikohinweise. Aus den schriftlichen Unterlagen gehen die Risiken jeweils viel deutlicher hervor als aus den mündlichen Ausführungen des Kundenberaters. Holen Sie eine Zweitmeinung einer Vertrauensperson ein.
- Kaufen Sie nur Produkte, die Sie verstehen. Auch in dieser Beziehung ist das gründliche Lesen der schriftlichen Unterlagen (Faktenblätter, Termsheets, Wesentliche Anlegerinformationen, Verkaufsprospekte) oft heilsam. Viele Produkte sind nämlich viel komplizierter, als es die Kundenberater im Gespräch darstellen.