Die Migros-Bank hielt in den Depotverträgen jahrelang fest, dass sie für ihre hauseigenen Fonds keine heimlichen Vergütungen (Retrozessionen) von Fondsgesellschaften erhalte. Das traf nicht zu. Fliessen Retrozessionen, ist eine Bank gesetzlich verpflichtet, diese dem Kunden abzuliefern – ausser dieser kennt im Voraus die mögliche Höhe der Vergütungen und verzichtet darauf. Die Migros-Bank hatte ihre Kunden weder informiert noch Verzichtserklärungen eingeholt. Deshalb erstattete sie Anfang dieses Jahres Tausenden von Fonds-Kunden die zu Unrecht einbehaltenen Vergütungen zurück («Saldo» 19/2021).
Dadurch sensibilisiert, gibt sich die Migros-Bank nun in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zur neu eingeführten Visa-Debitkarte, welche die Maestro-Karte ersetzt, geradezu vorbildlich. Sie weist darauf hin, dass sie zur Deckung ihrer laufenden Kosten vom Zahlungsdienstleister eine sogenannte Interchangegebühr erhält, insbesondere für die Verarbeitung von Kartentransaktionen. Die Höhe dieser Gebühr könne mal fix, mal variabel sein. Im Inland erreicht sie bis maximal 55 Rappen oder 0,29 Prozent des Transaktionsbetrags.
Banken erhalten eine Umsatzbeteiligung
Zusätzlich kassiert die Migros-Bank von der Kartenorganisation Visa «Beiträge zur Verkaufsförderung». Sie können bis zu 0,7 Prozent der Transaktionssumme betragen. Migros-Bank-Sprecher Urs Aeberli erklärt, dieses Geld sei eine Art «Mengenrabatt», welcher der Bank helfe, die selbst getragenen Gebühren für den Anschluss an Visa zu reduzieren. Denn die Migros-Bank stelle den Kunden die Debitkarte ohne Jahresgebühr zur Verfügung.
Kunden müssen in AGB auf Vergütungen verzichten
Um Ansprüche der Kunden auf Herausgabe dieser Gelder auszuschliessen, zwingt die Migros-Bank via AGB die Kunden, darauf zu verzichten. Wörtlich steht im Kleingedruckten: «Der Kontoinhaber verzichtet zugunsten der Bank auf jedes Recht der Herausgabe dieser Vergütungen.»
Nach Meinung von Anwalt und Titularprofessor Jean-Marc Schaller aus Küsnacht ZH ist auch bei einem Debitkartenvertrag «grundsätzlich Auftragsrecht anwendbar» – wie das für die Auskunft und Herausgabe bei einem Depotvertrag oder einem Vermögensverwaltungsmandat der Fall ist. Deshalb müsse die Migros-Bank einen Verzicht auf die Herausgabe der Vergütungen einholen, wenn sie diese nicht an die Kunden weiterleiten will. Nach Schallers Einschätzung besteht allerdings bei der Interchangegebühr keine Herausgabepflicht, weil damit der Kostenaufwand der Bank gedeckt werde. Anders verhält es sich laut Schaller allenfalls bei den «Beiträgen zur Verkaufsförderung». Obwohl die Migros-Bank die Debitkarte gratis abgibt, könnten diese Beiträge den Kunden zustehen, falls die Bank sie – und sei es auch nur indirekt – in die Gesamtkosten einer Debitkarte einrechnet. Zumindest müsste der Kunde laut Schaller die Möglichkeit haben, zwischen den Gesamtkosten für die Karte inklusive Vergütungen und den Gesamtkosten ohne Vergütungen zu wählen.
Bei anderen Banken stellt sich die Frage nach der Pflicht zur Herausgabe der Vergütungen an die Kunden noch klarer als bei der Migros-Bank: Denn die meisten Banken verlangen für die neuen Visa Debit respektive Debit Mastercard eine Jahresgebühr von etwa 50 Franken – 10 Franken mehr als bei der Vorgängerkarte Maestro. Zusätzlich kassieren sie Interchangegebühren und Beiträge zur Verkaufsförderung, ohne den Kunden etwas zurückzuerstatten oder eine Wahl zu lassen.
Einige Banken verschweigen ihre Zusatzeinnahmen
Viele Banken informieren ihre Kunden im Kleingedruckten nicht einmal darüber, dass sie von Dritten Gebühren erhalten und diese für sich vereinnahmen. Sie kommen also auch ihrer Rechenschaftspflicht nicht nach. Keinerlei Erwähnung finden die eingenommenen Vergütungen etwa bei den Kantonalbanken von Aargau, Basel, Bern, Luzern und St. Gallen, der Postfinance und der Credit Suisse. Anders sieht es bei Raiffeisen, UBS, Valiant und Zürcher Kantonalbank aus: Sie legen in den AGB sowohl die Interchangegebühr als auch die «Beiträge zur Verkaufsförderung» offen. Davon verlangt nur Raiffeisen einen Herausgabeverzicht des Karteninhabers.
Steht in den allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts von den Vergütungen, ist für K-Geld-Anwalt Karl Kümin klar: «Laut der Praxis des Bundesgerichts müssen die Banken die Retrozessionen an die Kunden weiterleiten.»