«Geld abheben per Fingerabdruck», schrieben kürzlich die russischen Zeitungen: Mit der Ankündigung, Kunden könnten bald per biometrischer Identifizierung Geld abheben, hat die neu gegründete Leto-Bank eine PR-Rakete gezündet. Denn in Russland kann das Bankwesen in der Realität beschwerlich sein.
Nehmen wir Überweisungen: Theoretisch funktioniert das fast wie im Westen. Über die letzten Jahre haben die grossen Banken des Landes Online-Banking eingeführt. So lässt sich mühelos Geld von Konto A zu Konto B bewegen.
Die Praxis ist jedoch komplizierter. Denn die Abstimmung unter den knapp tausend Banken des Landes ist schlecht. Einer der Gründe: Es gibt keine Bankleitzahlen. Nicht selten muss man dann in die Bankfiliale und ellenlange Formulare ausfüllen. Sie enthalten nebst den eigenen Daten eine Fülle von Nummern: jene des Empfängerkontos, die 20-stellige Nummer des «Korrespondentenkontos» der Empfängerbank sowie Adresse und Kennnummer der Empfängerbank. All diese Daten werden vom Bankmitarbeiter manuell ins System übertragen. Da passieren natürlich Fehler. Bei mir führte das dazu, dass das Geld nach einigen Tagen zurückkam. Die Filialleiterin entschuldigte sich zwar von ganzem Herzen, nur half mir das nicht: Statt auf den bestellten Matratzen schlief ich noch einige Tage länger auf dem Boden.
In Bankfilialen ist es ohnehin oft nervtötend: Daueraufträge sind praktisch unbekannt. Deshalb stehen vor den Schaltern lange Schlangen von Menschen, die Rechnungen für Gas, Wasser, Telefon und Stom bezahlen – und das jeden Monat aufs Neue. Doch ist der Altersdurchschnitt in den Schlangen hoch – die Jüngeren benutzen Online-Banking.
Unter anderem wegen der Schlangen florieren Online-Bezahlservices wie Webmoney. Zudem stehen über das ganze Land verteilt etwa 250 000 Terminals von privaten Betreibern wie «Qiwi», über die man problemlos einzahlen kann.
Auch mit Bancomaten hat man dann und wann hübsche Erlebnisse: In einer Dorffiliale der grössten russischen Bank «Sberbank», weit ausserhalb Moskaus, war der Bancomat ausser Betrieb. Geld hob man so ab: Man gab der Bankmitarbeiterin die Karte und seine PIN-Nummer. Von hier ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Geldabheben per Fingerabdruck.