Der britische Gelehrte Thomas Malthus (1766–1834) zählte zu den angesehensten Nationalökonomen seiner Zeit. In die Geschichte ein ging er allerdings mit einer Hypothese, die sich als eine der grössten wissenschaftlichen Fehlprognosen erweisen sollte. 1798 veröffentlichte er den berühmten «Essay on the Principle of Population» (Bevölkerungsgesetz). Darin behauptete er, dass sich die Menschheit auf lange Sicht nicht weiterentwickeln werde, da jeder Fortschritt durch die Bevölkerungsvermehrung sofort wieder untergraben werde.

Malthus habe seine These ausgerechnet zu einer Zeit veröffentlicht, als sie nicht mehr zutraf, schreibt der israelische Ökonom Oded Galor in seinem Buch. Das sei eine Ironie der Geschichte. Malthus’ Beschreibung der Welt, wie sie früher existierte, sei zwar korrekt. Doch mit der industriellen Revolution um 1800 entkoppelte sich die Bevölkerungsentwicklung vom technologischen Fortschritt, und die Geburtenraten sanken kontinuierlich – ein Trend, der sich bis heute fortsetzt.

Was ist passiert? «Die steigende Nachfrage nach gut ausgebildeten Arbeitskräften lieferte Eltern einen grösseren Anreiz, in die Ausbildung ihrer vorhandenen Kinder zu investieren, statt weitere in die Welt zu setzen», schreibt der Autor. So konnte die «malthusianische Armutsfalle», in der Menschen jahrtausendelang gefangen waren, überwunden werden: «Der Lebensstandard verbesserte sich, ohne dass er durch einen Bevölkerungszuwachs zunichtegemacht wurde.»

Galor beschreibt den technologischen Fortschritt und die ökonomischen Unterschiede zwischen den Weltregionen seit der «neolithischen Revolution» vor 12000 Jahren: Damals wurden die ersten Menschen sesshaft, und es ent­standen die ersten Hochkulturen. Der Autor erklärt, welche Faktoren ­Europa Tausende Jahre später an die Spitze der wirtschaftlichen Entwicklung brachten und wie die verheerenden Folgen der Kolonialisierung durch die Globalisierung im 20. Jahrhundert verschärft wurden.

Oded Galor: «Die Reise der Menschheit durch die Jahrtausende. Über die Entstehung von Wohlstand und Ungleichheit», dtv-Verlag, München 2022, 382 Seiten, ca. 40 Franken