Bevor Erwin Heri (68) als Finanzprofessor bekannt wurde, spielte er Tischtennis. An seinem 20. Geburtstag war er bereits mehrfacher Junioren-Schweizer-Meister. Diesen Titel gewann er danach noch zwei Mal im Herren-Doppel. Mit dem Tischtennis-Nationalteam sah er die Welt, spielte an Europa- und Weltmeisterschaften zum Beispiel in Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) und Kalkutta (Indien). «Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig», ist noch heute sein Motto.
Mit 23 Jahren zog er sich aus dem aktiven Leistungssport zurück. Danach hatte er den Kopf frei für anderes. Er studierte Politikwissenschaft und Ökonomie – und entdeckte die Finanzwelt. Das erworbene Wissen half ihm bei ersten Finanzwetten. So kaufte Heri etwa an einem Morgen auf Dollar lautende Traveller-Checks. Am späten Nachmittag verkaufte er diese wieder mit Gewinn. Mit dem Erlös erwarb er für seine Freundin Therese das Foulard, das sie sich so sehr gewünscht hatte. Später wurde sie seine Ehefrau.
Heri lehrt seit 1986 an der Universität Basel und an weiteren Schweizer Hochschulen. Eine rein akademische Karriere war Erwin Heri aber zu wenig. «Die graue Theorie reichte mir nicht. Ich wollte erleben, wie es wirklich läuft in der Finanzwelt.» So war er ab 1987 auch in der Privatwirtschaft tätig, zuerst als Leiter der Analyseabteilung der Vermögensverwaltung des Schweizerischen Bankvereins. Von 1994 bis 2002 war er als Anlagechef der Winterthur-Versicherungsgruppe für die Verwaltung von 130 Milliarden Franken verantwortlich. Später war er Finanzchef der Credit Suisse Financial Services und Präsident der Valartis-Bankengruppe.
Dem Vater dreier erwachsener Kinder ist es wichtig, sein Wissen aus Theorie und Praxis nicht nur in Expertenkreisen zu verbreiten. «Auch der Normalbürger soll die Finanzwelt verstehen und sich unabhängig und neutral informieren», findet Heri. Darum gründete er 2013 Fintool.ch, eine Internetplattform für Finanzbildung. Dort findet man über 700 einfache und verständliche Videos zu Themen wie Aktien, Renten, Obligationen und Kryptowährungen. Heri erklärt etwa, dass die Kursverläufe an der Börse nur sehr wenig mit der Konjunktur zu tun haben. Diese überraschende Erkenntnis vermag Erwin Heri mit Grafiken zu untermauern.
Ein grosser Teil der Fintool-Videos ist auch auf Youtube abrufbar. «Noch», sagt Heri dazu. Allzu lange sei er nicht mehr bereit, sein Wissen gratis zur Verfügung zu stellen. Zu rund 60 Prozent arbeitet er zurzeit für Fintool – und zwar umsonst. Die beiden Assistenten bezahlen er und sein Partner mehrheitlich aus dem eigenen Sack. Die wenigen kostenpflichtigen Abos für Fintool Premium bringen nur wenig ein, deshalb ist Fintool insgesamt ein Verlustgeschäft.
Auf die Frage, ob er reich sei, antwortet Heri: «Ja, anständig reich, aber nicht unanständig.» Ihn treibe nicht Geld, sondern «ein gewisses Sendungsbewusstsein» an. «Ich kann nicht nichts machen, und mitnehmen kann ich sowieso nichts.» Zwar spiele er relativ gut Golf, aber nur Golf reicht ihm nicht.
Besonders reizt den 68-Jährigen das Zusammenspiel aus theoretischem Wissen und der Praxis. In beiden Disziplinen kann Erwin Heri aus dem Vollen schöpfen. Das merkt man beim Anschauen der meist nur fünfminütigen FintoolVideos. Heri ärgert sich insbesondere darüber, dass von den möglichen Renditen an den Finanzmärkten noch immer ein viel zu kleiner Teil bei den Anlegern ankomme. Das liege allerdings nicht nur an den Bankgebühren und «cleveren Strukturen der Finanzindustrie». Auch das Fehlverhalten der Anleger führe zu enttäuschenden Renditen. Denn viele würden sich zu stark von Emotionen leiten lassen und zu häufig Wertschriften handeln.