Erben kann teuer werden. Das mussten die Brüder Patrick und Joël Roux aus Lyon erfahren. Ein Cousin vierten Grades war vor rund fünf Jahren in Genf verstorben. Er vermachte seinen Verwandten 125'000 Euro. Das Geld lag auf einem Konto in Frankreich. Die beiden Brüder mussten dafür zuerst der Genfer Steuerverwaltung 55 Prozent Erbschaftssteuern abliefern. Ein Jahr später erhielten sie eine Rechnung des französischen Fiskus über 60 Prozent des geerbten Geldes. Die Erbschaftssteuer beider Länder betrug also 15 Prozent mehr als die Erbschaft.
Grund für dieses Ergebnis: In der Schweiz ist der Wohnsitz des Erblassers für die Besteuerung des Erbes massgeblich, in Frankreich jener der Erben. Diese Doppelbesteuerung will der Nationalrat nun beseitigen. Am 19. September forderte er den Bundesrat auf, mit Frankreich «rasch» Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Erbschaftssteuer aufzunehmen.
Der Bund verlangt keine Erbschaftssteuer, aber fast alle Kantone. Ist kein Doppelbesteuerungsabkommen mit einem anderen Staat vorhanden, sind die Kantone frei, ob und wie sie eine Erbschaft besteuern. Ausnahme: Immobilien, die im Ausland liegen, dürfen in der Schweiz nicht besteuert werden, wenn das zu einer Doppelbesteuerung mit den ausländischen Steuerbehörden führt. So entschied das Bundesgericht vor 150 Jahren (siehe BGE 1 I 43 vom 22. März 1875).
Bei internationalen Verhältnissen ist eine Doppelbesteuerung von Erben nicht nur dann möglich, wenn in einem Staat der Wohnsitz des Erblassers für die Besteuerung massgeblich ist, im anderen aber jener des Erben. Sondern auch, wenn ein Staat für die Besteuerung des geerbten Vermögens an das Kriterium der Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpft, der andere aber an dessen letzten Wohnsitz.
Die Schweiz schloss mit Dänemark, Deutschland, Finnland, Österreich, Schweden, Grossbritannien, den Niederlanden und den USA Doppelbesteuerungsabkommen. Die acht Verträge legen fest, welcher Staat welche Vermögenswerte besteuern kann. K-Geld hat die wichtigsten Regeln dieser Abkommen für einen Erblasser zusammengestellt, der in der Schweiz wohnte und starb.
Schweden besteuert auch Immobilien in der Schweiz
Für vererbte Liegenschaften sind die Regeln bei fast allen Abkommen gleich: Besass ein Erblasser, der in der Schweiz lebte, ein Haus in Deutschland, müssen es seine Erben dort als Erbschaft versteuern. Eine Ausnahme regelt das Abkommen mit Schweden. Wohnte der Erblasser dort, besteuert dieses Land auch dessen Immobilien in der Schweiz.
Anders sieht es bei Bargeld, Wertschriften oder Bankkonten aus. Diese Vermögenswerte werden in dem Staat versteuert, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes wohnte. Das ist die Regel. Davon gibt es aber über zehn Ausnahmen, allein drei im Abkommen mit Deutschland. So muss Barvermögen auch in Deutschland versteuert werden, wenn der Erbe beim Tod des Erblassers in Deutschland wohnte und ebenso wenig wie der Erblasser Schweizer ist – auch wenn der Erblasser in der Schweiz wohnte, als er starb.
Dasselbe gilt, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes seit mindestens fünf Jahren in Deutschland eine Wohnung ständig nutzte. Und wer von einem in der Schweiz wohnhaften Erblasser US-Aktien erbt, muss diese in den USA versteuern, wenn der Wert der Aktien mehr als 60'000 US-Dollar beträgt.
Die zum Nachlass gehörenden Schulden werden in der Regel auf die beteiligten Vertragsstaaten aufgeteilt, und zwar im Verhältnis des jeweils steuerbaren Vermögens zum Gesamtvermögen. Anders ist dies in Schweden: Hypothekarschulden und Schulden, die mit dem unbeweglichen Vermögen wirtschaftlich zusammenhängen, werden beim unbeweglichen Vermögen berücksichtigt, andere Schulden beim beweglichen.
Häuser im Ausland werden in der Schweiz nicht besteuert
Die Schweiz, Dänemark und Finnland vermeiden eine Doppelbesteuerung, indem sie etwa eine Liegenschaft im Ausland von der Steuer befreien. Der steuerbefreite Vermögenswert wird in der Schweiz nur für die Bestimmung des Steuersatzes berücksichtigt. In Grossbritannien oder Deutschland gilt die Anrechnungsmethode: Besteuert der britische Fiskus Vermögen, das auch von der Schweiz besteuert wird, rechnet er die Steuer, die in der Schweiz erhoben wurde, an die in Grossbritannien veranlagte an.
Wer trotz Doppelbesteuerungsabkommen für die gleichen Vermögenswerte in beiden Ländern voll besteuert wird, kann sich dagegen wehren, in der Schweiz etwa mit einer Einsprache beim Steueramt. Betroffene können auch ein Verständigungsverfahren beantragen. In der Schweiz ist dafür das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen zuständig. Das Verfahren ist gratis. Ziel ist eine Einigung zwischen den Steuerbehörden. Michael Krampf
Verständigungsverfahren: Sif.admin.ch → Bilaterale Beziehungen → Steuerabkommen → Doppelbesteuerungsabkommen → Verständigungsverfahren
Mehr Infos zum Doppelbesteuerungsabkommen finden Sie in der Tabelle im PDF.