Geplant war eine Reise in den hohen Norden. Auf Skiern wollte die Reisegruppe in den Weiten Ostgrönlands touren. Am 11. April 2014 wäre es losgegangen – doch Urs Vögeli aus Basel konnte die Reise nicht antreten. Sein verletzter Fuss hätte die Strapazen nicht ausgehalten.
Zur Enttäuschung über die Absage kam noch der Ärger mit der Europäischen Reiseversicherung (ERV). Vögeli hatte dem Veranstalter 5400 Franken vorausgezahlt. Doch er erhielt von ihm nur die Hälfte zurück, weil er erst neun Tage vor Abreise annulliert hatte. Damit entstand ihm ein Schaden von 2700 Franken – den er gerne auf die Versicherung überwälzt hätte. Doch die ERV stellte sich quer und übernahm nur rund 800 Franken. Er habe zu spät abgesagt.
Das Problem dabei: Vögeli war 30 Tage vor Abreise wegen eines Zehenbruchs beim Arzt. Dabei meinte der Arzt, die Zeit reiche noch für eine Genesung. Ein entsprechendes schriftliches Zeugnis gibt es allerdings nicht. Bei einer Nachkontrolle neun Tage vor Abreise bezeugte der Arzt schriftlich, «aufgrund des Alters» des Patienten habe sich die «Heilung verzögert», und jetzt sei klar, dass er die geplante Grönlandreise nicht antreten dürfe. Worauf Vögele sofort absagte.
Doch damit habe er seine Pflicht zur Verminderung des Schadens missachtet, meinte die Versicherung. Denn bei einer früheren Absage hätte er vom Veranstalter mehr Geld zurückerhalten. Deshalb schrieb ihm die ERV, er hätte sofort nach dem ersten Arztbesuch absagen müssen statt auf eine rechtzeitige Heilung zu spekulieren. «Die Hoffnung, die Reise trotz allem antreten zu können, ist zwar verständlich und nachvollziehbar, gilt aber als nicht versichertes Ereignis.» Die ERV überwies ihm dann doch noch weitere 800 Franken – aus «Kulanz», wie sie schreibt.
Vom Arzt eine verbindliche Zusage verlangen
Der springende Punkt ist also: Wer ein paar Wochen vor einer geplanten und vorausbezahlten Reise ein medizinisches Problem hat, muss den Arzt sofort darauf ansprechen und um ein schriftliches Zeugnis bitten. Darin muss der Arzt bestätigen, dass der Heilprozess bis zum Beginn der Reise mit grosser Wahrscheinlichkeit abgeschlossen sei. Das Zeugnis muss sich auch auf die Art der Reise beziehen, denn für eine Busreise nach Italien ist jemand eher fit als für eine Skitour im Gebirge. Schreibt der Arzt nur von einer «gerechtfertigten Annahme» oder von einer vagen «Aussicht», so genügt das nicht.
Wer eine solche verbindliche Zusage vorweisen kann, muss die Reise nicht absagen. Das bestätigt der St. Galler Privatrechtsprofessor und Reiserechtsexperte Vito Roberto: «Falls der Arzt dem Versicherten versichert, die Verletzung werde rechtzeitig heilen, liegt keine Verletzung der Schadenminderungspflicht vor.»
Falls sich der Arzt aber nicht mit Bestimmtheit festlegen kann oder will und nur von einer möglichen Heilung spricht, sollte man die geplante Reise zur Sicherheit annullieren oder zumindest mit der Reiseversicherung Kontakt aufnehmen.
Buchtipp: Versicherungen im Überblick
Infos zu den wichtigsten Versicherungen im K-Tipp-Ratgeber «So sind Sie richtig versichert» (6. Auflage, 377 Seiten).