Der Zahlungsbefehl datiert vom 7. Dezember 2016. An diesem Tag erhielt Reto M. aus Bern eine Betreibung der Intrum Justitia über den Betrag von Fr. 111.50. Als Grund wurde auf dem Zahlungsbefehl eine «Honorarrate» eines Arztes vom Juni 2012 genannt.
Zuerst dachte der Empfänger, die Intrum wolle bei ihm den Verzugsschaden einfordern. Denn Reto M. hatte damals in der Tat eine Arztrechnung ignoriert. Diese Rechnung hatte er 2012 von der Ärztekasse erhalten, die für viele Ärzte die Rechnungsstellung besorgt. Als er nicht zahlte, beauftragte die Ärztekasse die Intrum mit dem Inkasso.
Wie üblich stellte die Intrum dem säumigen Patienten nicht nur den ursprünglichen Rechnungsbetrag von 172 Franken (inklusive Zins) in Rechnung, sondern auch einen pauschalen Verzugsschaden von 114 Franken.
Reto M. wusste genau: Fantasiepauschalen mit dem Namen Verzugsschaden müssen Schuldner nicht zahlen (siehe Kasten). Er überwies deshalb 172 Franken an die Intrum und teilte ihr schriftlich mit, sie habe keinen Anspruch auf den «zu Unrecht in Rechnung gestellten Verzugsschaden».
Darauf mahnte ihn die Intrum fast vier Jahre regelmässig für den offenen Verzugsschaden. Dabei wuchs die Forderung kontinuierlich: Das Inkassounternehmen schlug noch Zinsen und «Rechtsberater-Kosten» auf die 114 Franken, sodass es im August 2016 bereits 156 Franken waren.
Dann kam im Dezember 2016 plötzlich die Betreibung – allerdings «nur» über Fr. 111.50. Warum? Bei der Ärztekasse sagte man dem Patienten, sie habe damals von der Intrum bloss Fr. 58.– erhalten. Die von der Intrum in Betreibung gesetzten Fr. 111.50 sind die Differenz zwischen Fr. 169.50 (ursprüngliche Arztrechnung ohne Zins) und den 58 Franken, die schon bei der Ärztekasse sind.
«Das ist ein übles Spiel», ärgert sich der Patient. «Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich den Betrag direkt der Ärztekasse überwiesen.» Das wäre in der Tat eine gute Idee gewesen (siehe Unten).
Immerhin: Nach der Intervention von K-Geld hat die Intrum die Betreibung gegen Reto M. zurückgezogen. Die Inkassofirma sagt, sie werde dem Arzt die fehlenden Fr. 111.50 überweisen.
Inkassoforderung: Verzugsschaden nicht zahlen!
Wenn Sie eine Forderung von einem Inkassobüro erhalten, müssen Sie nur die Hauptforderung zahlen sowie 5 Prozent Verzugszins. Plus Mahngebühren, falls diese im ursprünglichen Vertrag mit dem Gläubiger abgemacht waren.
Die Pauschale für den Verzugsschaden müssen Sie hingegen nicht zahlen. Ein solcher Verspätungsschaden wäre nur geschuldet, wenn das Inkassobüro belegen könnte, dass durch die verspätete Zahlung ein Verlust entstanden ist, der durch den Verzugszins nicht gedeckt ist. Das ist heute kaum denkbar, da die Banken praktisch keinen Zins mehr für Guthaben auf dem Konto zahlen. Allfällige Aufwendungen für den Aufwand eines Inkassobüros muss laut Gesetz der Gläubiger selbst zahlen.
Die Inkassofirmen wissen genau, dass sie mit ihrer pauschalen Forderung für den angeblichen Verzugsschaden gerichtlich nicht durchkommen. Sie verzichten denn auch regelmässig, falls sich Betroffene entschieden dagegen wehren (K-Geld 1/2017).
Tipp: Wenn Sie eine Mahnung eines Inkassobüros erhalten und das Geld effektiv schulden, sollten Sie den offenen Betrag (inklusive Verzugszins) direkt dem Gläubiger zahlen. Es sei denn, die Inkassofirma belege in einem Dokument, dass die Forderung an sie abgetreten wurde.
Teilen Sie anschliessend dem Inkassounternehmen schriftlich mit, dass Sie die Forderung direkt beglichen haben und dass die Angelegenheit somit für Sie erledigt ist.