Der Swiss Performance Index (SPI) umfasst fast alle börsengehandelten Aktiengesellschaften der Schweiz. Er enthält rund 200 Unternehmen – von Schwergewichten wie Nestlé und Novartis bis zu kleineren Firmen wie Zwahlen & Mayr in Aigle VD, die Stahlprodukte herstellt. Damit repräsentiert der SPI die Wertentwicklung des gesamten schweizerischen Aktienmarkts.
Publizierte Zahlen zum SPI reichen zurück bis zum 1. Januar 1987. Stand damals: 1049 Punkte. Ende Juli 2017 lag er bei 10 296 Punkten. Das ergibt einen Wertzuwachs von fast 8 Prozent pro Jahr. Allerdings berücksichtigt der SPI keine Kosten wie Kauf-, Fonds- oder Depotgebühren. Und er unterstellt, dass die Dividenden laufend wieder in die Aktien investiert werden.
Anders als früher ist es heute leicht, breit in Schweizer Aktien zu investieren. Dies dank Indexfonds. Der günstigste ist aktuell der iShares Core SPI (ISIN CH0237935652) mit jährlichen Kosten (Gesamtkostenquote) von nur 0,1 Prozent. Zwar fallen auch noch Handels- und Depotgebühren an. Trotzdem sind Anleger heute in der Lage, mit Indexfonds weitgehend an der Wertentwicklung des Schweizer Aktienmarkts teilzuhaben. Das Gleiche gilt für Börsen im Ausland.
Wer solch breit investierende Indexfonds kauft, erhält immer die durchschnittliche Rendite eines ganzen Marktes abzüglich der Kosten. Doch ehrgeizige Anleger möchten mehr. Es ist allerdings schwierig, eine Mehrrendite zu erzielen. Das zeigt die Erfahrung mit den aktiv verwalteten Fonds. Ihre Manager analysieren zum Teil mit einem grossen Aufwand Branchen und Firmen, um die vielversprechendsten Titel aufzuspüren. Nur sehr wenige Manager haben aber über eine längere Zeit eine gute Nase. Die allermeisten aktiven Fonds bleiben mit der Zeit hinter den Renditen der breit investierenden passiven Indexfonds zurück. Der wichtigste Grund: ihre höheren Kosten.
Das Thema Mehrrendite lässt aber einer ganzen Reihe von Finanzwissenschaftern seit längerem keine Ruhe. Ihre Frage lautet: Kann man aus dem Meer der Titel eine kleinere Anzahl heraussieben, die den Marktdurchschnitt schlägt? Gibt es systematisch angewandte Auswahlkriterien, die langfristig Erfolg garantieren?
Akademische Studien kämmten Finanzdaten der Vergangenheit durch und fanden mehr als 300 Auswahlkriterien, die zu Überrenditen führten. Bei den allermeisten handelt es sich aber um Eintagsfliegen – Renditequellen, die nur kurzzeitig oder nur in wenigen Aktienmärkten sprudelten.
Es gibt jedoch eine kleine Anzahl von Auswahlkriterien bzw. Eigenschaften, die sich langfristig in vielen Ländern als sehr erfolgreiche Renditequellen erwiesen haben. Im Branchenjargon heissen diese Eigenschaften Faktoren (siehe Grafik).
Die umfassendste Studie zum Thema stammt von Elroy Dimson, Paul Marsh und Mike Staunton. Sie erschien vergangenes Frühjahr im «Credit Suisse Global Investment Returns Yearbook 2017». Die drei Finanzwissenschafter der London Business School greifen auf langjähriges Datenmaterial aus 23 Ländern zurück – inklusive Australien, Deutschland, Grossbritannien, Japan, Schweiz und USA.
Eine der erfolgreichsten Eigenschaften oder Faktoren einer Aktie ist das sogenannte Momentum. Wer nach diesem Renditekriterium gezielt auswählt und investiert, kauft immer diejenigen Aktien, die in der jüngeren Vergangenheit den besten Lauf hatten, und verkauft die Nachzügler.
Von 1975 bis 2016 hängten in den 23 Ländern die Gewinner die Verlierer um rund 10 Prozent pro Jahr ab. In der Schweiz lag die Momentum-Strategie in dieser Periode sogar etwas über dem internationalen Durchschnitt.
Bei britischen Aktien erlaubte das Datenmaterial, 117 Jahre zurückzugehen. Die Renditen von Anfang 1900 bis Ende 2016: Die Gewinner warfen durchschnittlich 14,1 Prozent pro Jahr ab, der Marktdurchschnitt 9,5 Prozent und die Verlierer 3,6 Prozent pro Jahr. So lange angewandt, hätte die Momentum-Strategie theoretisch aus 1 Pfund über 5 Millionen Pfund gemacht, während der Marktdurchschnitt nur auf knapp 39 000 Pfund gekommen wäre.
Ebenfalls als sehr ertragreich erwies sich das Kriterium der Firmengrösse. Hier stammen die Daten der 23 Länder im Durchschnitt aus 43 Jahren. Resultat: Die Firmen mit kleinem Börsenwert (Small Caps) rentierten durchschnittlich etwa 4 Prozent pro Jahr besser als die Grossen (Large Caps).Dimson, Marsh und Staunton fanden wie andere Wissenschafter auch Mehrrenditen bei unterbewerteten Aktien sowie bei Titeln mit hohen Dividenden oder geringen Kursschwankungen.
Aber was bedeuten die Resultate der akademischen Studien für die Anleger? Können sie selber Aktien gemäss diesen Kriterien auswählen?
Am ehesten ist das bei den Faktoren Grösse und Dividenden möglich. Bei ihnen eine Auswahl zu treffen, ist nicht so kompliziert. Doch schon hier sind nur passionierte Anleger bereit, den beträchtlichen Zeitaufwand in Kauf zu nehmen.
Bei anderen Faktoren kommt man ohne Zugang zu Datenbanken wie Bloomberg oder Morningstar nicht aus. Beispiel Kursschwankungen: Um die Aktien mit den tiefsten Kursschwankungen herauszufinden, sind mathematische Analysen notwendig. Kommt dazu: Bei allen Faktor-Strategien muss das Portfolio häufig umgeschichtet werden. Da gewöhnliche Anleger nur relativ kleine Positionen haben, wird das schnell zu kostspielig.
Anders ist es bei den Banken, der Fondsindustrie und auch bei den grossen, privaten Vermögensverwaltern: Ihnen kommen die akademischen Faktor-Studien wie gerufen. Besser sein als der Marktdurchschnitt – das ist ein Verkaufsargument, das zieht. Sie lancieren deshalb immer neue Faktor-Produkte. Das heisst: Für alle erwähnten Erfolgsfaktoren gibt es heute entsprechende Fonds – vor allem Indexfonds.
Anleger sollten sich aber nicht blenden lassen. Faktoren und die entsprechenden Fonds haben eine ganze Reihe von Pferdefüssen:
- Beispiel unterbewertete Aktien, die sogenannte Value-Strategie: In Irland, Finnland und Dänemark hat sie in den letzten Jahrzehnten statt zu einer Mehr- zu einer Minderrendite geführt. Vielleicht wird sie in Zukunft auch in anderen Märkten – selbst langfristig angewandt – nicht funktionieren.
- Beispiel Small Caps (kleine Firmen): Sogar in Ländern, in denen sie langfristig eine enorme Mehrrendite abgeworfen haben, gab es auch Durststrecken. In den USA kam es zu zwei Perioden, in denen die Kleinen den Grossen hinterherhinkten – einmal 13 und ein andermal 17 Jahre lang. Solche Durchhänger gab es übrigens bei allen Erfolgsfaktoren (Grafik im PDF). Anleger wissen in solchen Fällen nicht, wie lange diese dauern. Die Gefahr ist gross, dass sie aufgeben, bevor wieder bessere Zeiten anbrechen. Phasen von Minderrenditen können zehn und mehr Jahre dauern.
- Beispiel hohe Dividenden: Viele Anleger wichen auf dividendenstarke Aktien aus, weil die Zinsen nach der Bankenkrise immer tiefer fielen. Dimson, Marsh und Staunton warnen in ihrer Studie: «Der Hunger nach Ausschüttungen hat die Preise eines Teils der Aktien möglicherweise auf unhaltbare Höhen getrieben.» Das heisst: Sobald viele Investoren auf einen Faktor setzen, bläst das die Renditen auf. Im Anschluss drohen enttäuschende Perioden.
Tipps für Anleger
- Ziehen Sie Faktor-Anlagen nur in Betracht, wenn Sie ihre Funktionsweise und Grenzen genau durchschauen. Eine solche Analyse kann aufwendig sein.
- Faktor-Investments und entsprechende Fonds eröffnen zwar Chancen auf überdurchschnittliche Renditen. Es kann aber auch schiefgehen. Das heisst, man geht mit ihnen zusätzliche Risiken ein. Deshalb kommen sie allenfalls als Beimischung im Depot in Frage.
- Als Hauptbestandteile eines Wertschriftendepots eignen sich nach wie vor breit investierende Indexfonds am besten.
- Der Schweizer Aktienmarkt wird dominiert von bloss drei Unternehmen: Nestlé, Novartis und Roche. Am naheliegendsten ist hier eine Ergänzung mit kleineren Firmen (Stichworte Nebenwerte, Small und Mid Caps). Nach sechs goldenen Jahren mit grossen Wertsteigerungen sind diese Nebenwerte zurzeit allerdings sehr hoch bewertet.
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Überblick
- Momentum: Diese Strategie setzt auf Aktien, die in der jüngeren Vergangenheit überdurchschnittlich rendierten – in der Annahme, dass sie auch in naher Zukunft brillieren.
- Geringe Schwankungen (Low Volatility): Bevorzugt Aktien, deren Kurs relativ wenig schwankt.
- Werthaltigkeit (Value): Sucht Aktien von qualitativ guten Unternehmen heraus, die einen hohen «inneren Wert» haben, aber zu tiefen Kursen notieren. Man könnte sie als Schnäppchen bezeichnen.
- Grösse: Setzt den Schwerpunkt auf Aktien von kleineren Unternehmen.
- Dividenden: Konzentriert sich auf Aktien, die hohe Dividenden ausschütten.