Die Petition datiert vom 24. März 2015. An diesem Tag reichte Clemens Müller aus Neuhaus SG beim Parlament in Bern eine Petition ein. Seine Forderung: Provisionszahlungen auf den Sparanteil bei Sparversicherungen sollen verboten werden.
Müller hat kapitalbildende Lebensversicherungen im Rahmen der Säule 3a im Visier. Sie verbinden die Risikoabsicherung mit einem Sparprozess und haben viele Nachteile. Einer der schlimmsten: Wer die meist sehr lange Vertragsdauer nicht durchhält und vorzeitig keine Prämien mehr zahlt, verliert beim sogenannten Rückkauf viel Geld. Oft trifft es junge Frauen, die später Mütter werden, nicht mehr arbeiten und dann auch nicht mehr einzahlen dürfen.
Verkaufsprovisionen: «Vermittler bereichern sich exzessiv»
Ärgerlich ist auch: Die Kunden kennen zwar ihre Totalprämie, aber nicht deren exakte Aufteilung in Verwaltungs-, Risiko- und Abschlusskosten. So bleibt auch im Dunkeln, wie viel der Vermittler an Verkaufsprovision kassiert. Und das ist nicht wenig: Die Entlöhnung kann bis 4 Prozent der gesamten Prämiensumme ausmachen. Beispiel: Bei einer Jahresprämie von 6000 Franken und einer Vertragsdauer von 30 Jahren resultiert eine Verkaufsprovision von 7200 Franken. Das sei eine «exzessive Bereicherung der Vermittler», ärgert sich Clemens Müller. Diese Abzockerei müsse aufhören.
Besonders stossend findet Müller, dass viele provisionsgesteuerte Vermittler oft gezielt auf junge Leute losgehen und ihnen solche Sparversicherungen mit langer Laufzeit aufschwatzen. Gerade junge Leute steigen oft frühzeitig aus und verlieren eine Menge Geld. Das hat der heute 58-jährige Müller schon früher am eigenen Leib erfahren und seither in seinem persönlichen Umfeld vielfach miterlebt.
Doch in Bern beisst Müller auf Granit. Seine Petition wurde zuerst von den beiden Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben von National- und Ständerat behandelt. Beide entschieden im Mai und Juni mit identischem Wortlaut, das Anliegen der Petition sei «erfüllt». Das sah nach einem Hoffnungsschimmer aus, war aber inhaltlich falsch.
Näher bei den Tatsachen war ein erläuterndes E-Mail, das Müller anschliessend von den Parlamentsdiensten erhielt. Dort heisst es, gegenwärtig sei das neue Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) in Planung. Ein Verbot von Provisionen, wie es Müller in seiner Petition explizit gefordert hatte, sei darin nicht vorgesehen. Geplant sei aber eine «generelle Offenlegungspflicht» für Finanzdienstleister. Das würde heissen, dass Vermittler von Sparversicherungen die kassierten Provisionen beim Abschluss bekanntgeben müssten.
Offenlegung: Normale Sparversicherungen bleiben ausgeschlossen
Doch auch das ist zu relativieren. In der Botschaft des Bundesrats zum Finanzdienstleistungsgesetz steht, betroffen seien nur «Finanzinstrumente mit kursabhängigen Leistungen». Gemeint sind sogenannte Fondspolicen, bei denen der Sparteil der Kunden in Anlagefonds und damit an den Börsen investiert wird. Normale Sparversicherungen mit festem Zinssatz waren also von Anfang an ausgeschlossen.
Den wohl endgültigen Tod erlitt die Petition Müller aber am 14. Oktober 2016. An diesem Tag entschied die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats, die Lebensversicherer vom Zuständigkeitsbereich des Finanzdienstleistungsgesetzes auszunehmen. Wenn auch das Parlament diesem Schritt folgt, ist die «generelle Offenlegungspflicht» bei Sparversicherungen zumindest vorläufig vom Tisch. Ob sie später bei der Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes wieder aufs Tapet kommt, steht in den Sternen.
Müller ist enttäuscht: «Die Offenlegung der Provisionen würde bestimmt viele junge Leute vom unsinnigen Kauf einer Sparversicherung abhalten. Aber diese Hoffnung muss ich vorläufig wohl begraben.»