Drei riesige Kessel stehen im Garten eines winzigen Dorfes in Kirgisistan. Darin brodelt Pferdefleischsuppe. Das gehört zu den typischen Hochzeitsvorbereitungen im ländlichen Kirgisistan, wo morgen Nazira und Meder heiraten. Das Paar wohnt zwar in der Hauptstadt Bischkek, feiert die Hochzeit aber auf dem Land. Kirgisistan ist ein gebirgiges Land in Zentralasien, das lange Zeit von Nomaden bewohnt wurde. Bis heute haben Pferde einen hohen Stellenwert. Reiten lernt man als Kind, in der Freizeit frönt man Pferderennen. Pferdefleisch ist eine Delikatesse, die an speziellen Anlässen wie Hochzeiten zubereitet wird.
Hochzeiten werden mit grossem Pomp gefeiert. Früher feierte man zu Hause, heute in palastartigen Festsälen. Deren Betreiber machen ein gutes Geschäft. Sie bieten Livemusik, professionellen Service und ein exquisites Menü. Der Mietpreis ist gesalzen, daher werden die teuersten und zugleich wichtigsten Speisen – Pferdewurst und Pferdefleischsuppe – nach wie vor zu Hause von den Verwandten zubereitet.
Der Preis für eine Hochzeit ist hoch, denn Familien in Kirgisistan sind gross. Ein Hochzeitsfest kann locker 300 Gäste haben. Die Familie des Bräutigams kommt fürs Fest auf: Dazu zählen die Miete des Festsaals, das Essen und die Unterhaltung. Ältere und ranghohe Gäste müssen mit Geschenken bedacht werden: Frauen erhalten meistens einen Seidenschal und Männer einen Filzhut. Darüber hinaus müssen ein Brautkleid gekauft und der Hochzeitsfotograf bezahlt werden.
Bereits Monate vor der Hochzeit treffen sich die Familien beider Parteien, um die finanziellen Details zu erörtern. Kirgisistan ist ein sehr armes Land. Der durchschnittliche Monatslohn beträgt rund 210 Franken. Um das Geld für die Hochzeit zusammenzubringen, arbeitete Bräutigam Meder im Ausland auf einer Baustelle. Der Familie der Braut muss ein sogenannter Kalym bezahlt werden, eine Ausgleichszahlung für die Mitgift. Dazu zählen Geschirr, Kochutensilien, Bettwäsche, Tischdecken und ähnliche Haushaltsgegenstände.
Während die Suppe fertig kocht, rechnet Meders Vater akribisch die Ausgaben für die rund 180 Gäste zusammen: 25 Franken pro Person für den Festsaal – das macht total 4500 Franken. Dazu kommen weitere 300 Franken für die Gastgeschenke, den Alkohol für die Erwachsenen und die Süssigkeiten für die Kinder. Etwa 1000 Franken kostete das Pferd, das für die Hochzeit geschlachtet wurde, und 1400 Franken betrug die Ausgleichszahlung an die Brautfamilie. Alles in allem ergibt das etwa drei kirgisische Jahreslöhne. «Wenn du von hier wärst, würden wir auch für deine Hochzeit einen hohen Kalym aushandeln», sagt Meders Vater zu mir und rührt lächelnd im Kessel mit dem Pferdefleisch.