Seit 50 Jahren ist Edwin Zeiter Mitglied des Gemeinderats von Bister VS, seit 46 Jahren Gemeindepräsident. Das ist Schweizer Rekord und stösst sogar in Nordkorea auf Bewunderung – zumindest wenn man einer Karikatur im «Walliser Boten» glaubt. Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un fragt darin Edwin Zeiter: «Wie hast du es geschafft, so lange an der Macht zu bleiben?»
Zeiters Gemeinde Bister zählt zu den kleinsten der Schweiz. Sie hat knapp über 30 Einwohner und das typische Problem kleiner Gemeinden: Wo findet man Interessenten für ein öffentliches Amt? Das war schon 1972 so: Zeiter wurde damals als Neuzuzüger gleich Vizepräsident des Gemeinderates, «weil niemand anders wollte», wie er sagt. Und so ist es heute noch. Zeiter hofft aber, seinen Nachfolger endlich gefunden zu haben, einen jungen «Üsserschwiizer»: Im Jahr 2024 soll dieser das Präsidium übernehmen. Spätestens dann ist für Zeiter Schluss. Bister soll eigenständig bleiben, kein Weiler einer fusionierten Oberwalliser Gemeinde werden. Damit keiner glaubt, Bister sei nur wegen Zeiter noch unabhängig gewesen.
Bis 2024 hat der 72-Jährige aber noch einiges zu tun – was auf einer Gemeinde halt so anfällt. Er erfasst die Einnahmen und Ausgaben im «Milchbüechli» von Bister, er leert den Robidog, präsidiert die Schulkommission und den Kirchenrat, führt den Katasterplan, pflegt die Waldstrassen, meldet die Zahlen zum Leerwohnungsbestand und zur Einwohnerentwicklung ans Bundesamt für Statistik – und vieles mehr. Zeiter ärgert sich über die «vielen für kleine Gemeinden unnötigen Aufgaben, die Bund und Kanton uns aufbürden. Ich muss auch Meldung erstatten, wenn es nichts zu melden gibt.» Für seine Arbeit als Gemeindepräsident erhält er 250 Franken pro Jahr – gleich viel wie 1976. Die Tätigkeiten als Gemeindearbeiter kann er der Gemeinde zu 25 Franken pro Stunde in Rechnung stellen. Vieles sei Fronarbeit.
Bister geht es finanziell gut, auch dank Zeiters sparsamem Umgang mit den Einnahmen und dem Vermögen der Gemeinde. Über Zahlen spricht er ungern. Es gebe viele Neider. Bister hat den tiefsten Steuerfuss im Wallis und ein Vermögen von 2 Millionen Franken. Das töne nach viel, aber ein unvorhergesehener Kostenblock könne die Finanzen aus dem Lot bringen. Für 2022 ist ein Überschuss von 8000 Franken budgetiert.
Er schaue «pickelhart auf die Finanzen», sagt Zeiter. Anders als viele Gemeinden im Oberwallis hat Bister kein Mehrzweckgebäude, das kaum genutzt wird, aber Jahr für Jahr Geld für den Unterhalt verschlingt. Die Gemeinde ist weder Mitglied im Bauernverband noch in anderen Verbänden, die Beiträge verlangen. Bei Schnee pflügen die Einwohner die Zufahrtswege zu ihren Häusern selbst. Der Gemeindepräsident sagt: «Man muss die Leute erziehen.»
Zeiter lernte von Kind auf, sparsam zu sein. Seine Eltern hatten zwei Kühe und vier Kinder. Weil sie nur drei Kinder versorgen konnten, gaben sie Edwin nach Kirchberg BE zu Pflegeeltern. «Ich wurde verwöhnt, war der Sonnyboy», erinnert sich Zeiter. Als Jugendlicher war er Hüterbub bei Verwandten in Geschinen im Oberwallis, gegen Kost und Logis. Im Sommer hütete er deren Tiere auf der Alp, im Winter ging er zur Schule. Das war damals üblich im Wallis. «Ich bedauere nichts, habe so viel gesehen und erlebt. Es war schön.» Später wurde Zeiter Sekundarlehrer. Mit 55 Jahren liess er sich frühpensionieren, heute führt er mit seiner Ehefrau und den beiden Töchtern einen Bio-Hof mit 70 Walliser Schwarzhals- und Kaschmirziegen. In seiner Freizeit malt er Tiere, Stadel und die Oberwalliser Bergwelt.
Und was gäbe Zeiter Kim Jong-un zur Antwort, wenn der ihn wirklich fragen würde, wie man sich so lange an der Macht hält? «Du musst alles gratis machen. Dann sind alle zufrieden und du bleibst im Amt.»