«Was für ein schönes Neujahrsgeschenk», mögen sich einige Leser der «Sonntagszeitung» gedacht haben. In den Ausgaben vom 1. und 8. Januar 2017 wirbt eine Direct Investment AG für Eigentumswohnungen in Ernetschwil SG, die sich angeblich zu 100 Prozent durch Hypotheken fremdfinanzieren lassen. Die sonst von den Banken geforderten mindestens 20 Prozent Eigenkapital sind nicht nötig. Die monatliche Belastung durch die Hypozinsen soll lediglich 484 bis 942 Franken betragen. Dies für eine 2,5-Zimmer-Wohnung mit 84 Quadratmetern inklusive 1 Tiefgaragenplatz bzw. eine 4,5-Zimmer-Wohnung mit 157 Quadratmetern und 2 Tiefgaragenplätzen.
Auch das geforderte Mindesteinkommen der Käufer von 4350 bzw. 8475 Franken monatlich ist weit unter dem, was Banken normalerweise von angehenden Wohneigentümern verlangen.
Für die Finanzierung verweist die Direct Investment AG an einen Pit Wagner von der Hypo Real Estate Schweiz AG in Basel. Nur: Eine solche Aktiengesellschaft ist weder in Basel noch sonst in einem Schweizer Handelsregister zu finden.
Den Käufern stehe es frei, mit einem beliebigen Finanzierungsinstitut zusammenzuarbeiten, sagt Reto Lohrer, Anwalt der Direct Investment: «Der Kontakt mit der Hypo Real Estate beziehungsweise Herrn Wagner ist sistiert.» Erst würde deren Seriosität geprüft. Nun fehlt in den Inseraten der Hinweis auf die 100-%-Fremdfinanzierung.
Pit Wagner ist deutscher Staatsangehöriger mit Wurzeln in Trier und wechselnden Wohnsitzen in Weil am Rhein (D) und Basel. Ab 2009 war er in Basel Verwaltungsrat mit Einzelunterschrift der Hypo Real Estate AG. Sie wurde 2013 zwangsgelöscht.
Von 2012 bis 2015 sass Wagner in Zofingen und Lenzburg AG sowie in Lörrach (D) 40 Monate in Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft. Das Obergericht Aargau hat ihn wegen gewerbsmässigen Betrugs, Urkundenfälschung und weiterer Delikte zu 4 Jahren und 2 Monaten Jahren Haft verurteilt. Wagner will das Urteil anfechten.
Wagner sagt, die Hypo Real Estate Schweiz sei «in Gründung» und habe mit der gelöschten Hypo Real Estate «absolut nichts zu tun». Ihm gehe es darum, dass sich «auch die Angestellten bei der Müllabfuhr» Wohneigentum leisten könnten. Die seien ihm als Kunden «lieber als irgendwelche Börsianer».
Für die erwähnten Eigentumswohnungen in Ernetschwil offeriert die Hypo Real Estate Schweiz zehnjährige Festhypotheken zu 1 Prozent. Zusätzlich erhalte seine Firma eine einmalige Kommission von 2,25 Prozent, sagt Pit Wagner. Bei 2 Prozent «realer Inflation» seien nach Ablauf der Festhypothek bereits 20 Prozent der Hypothek amortisiert, argumentiert er. Dass Immobilien beispielsweise in den 90er-Jahren auch mal 20 Prozent an Wert verloren, ist für ihn kein Thema.
Hypo Real Estate Schweiz: Finanzierungspartner «weltweit»
Doch wo liegen die Risiken? «Bei solch unüblichen Konditionen besteht die Gefahr, dass Immobilien losgeschlagen werden sollen, die sonst zu diesem Preis unverkäuflich wären», sagt Adrian Wenger, Leiter des VZ-Hypothekenzentrums. Im Fall Ernetschwil scheint dies nicht das Kernproblem zu sein. Die Eigentumswohnungen mit Preisen von 580000 bis 1,13 Millionen Franken liegen zwar über dem Durchschnitt vergleichbarer Angebote auf Immobilienplattformen. Doch eine Vergleichsbewertung des Informations- und Ausbildungszentrums für Immobilien (IAZI) zeigt keine signifikante Abweichung.
Wagner will «in keinem Fall öffentlich bekannt geben», woher die Geldmittel für die Hypotheken stammen. Laut Website arbeitet die Hypo Real Estate Schweiz mit Finanzdienstleistern in halb Europa «sowie Privatinvestoren weltweit» zusammen. Auf Nachfrage nennt Wagner als einen seiner Finanzierungspartner die Interhyp in Mannheim (D).