Gegen 40 Personen finden sich an diesem heissen Julinachmittag im Gemeindehaussaal in Embrach ZH ein. Das Betreibungsamt versteigert ein Einfamilienhaus. Über die Hälfte ist nur aus Neugier anwesend. Auf der Zuschauertribüne tummeln sich unter anderem einige Teenager, der Besitzer der Nachbarliegenschaft des Einfamilienhauses sowie ein Raiffeisen-Banker mit Lehrling. Letzterer soll direkt erfahren, wie eine Zwangsversteigerung abläuft. Zehn Einzelpersonen oder Paare sind wirklich am Kauf interessiert und wollen mitbieten.
Betreibungsamt schätzt den Wert des Hauses auf 1,25 Millionen Franken
Das Objekt der Begierde ist ein 7-Zimmer-Einfamilienhaus mit Büroanbau und Garage, nahe des Embracher Freibads gelegen. Die Grundstücksfläche beträgt 648, die Wohnfläche 198 Quadratmeter. Das Betreibungsamt schätzt den Verkehrswert des 1978 erbauten Hauses auf 1,25 Millionen Franken.
Wer am Kauf interessiert ist, hat es vorgängig besichtigen können. Auch K-Geld war bei einem Termin mit dabei und schaute sich in den noch bewohnten Räumen um. Der Eindruck: Das Haus ist zwar etwas in die Jahre gekommen, aber noch gut im Schuss. Die Wände waren bei der Besichtigung voller Erinnerungsfotos. Überall fanden sich Modelle und Bilder von Schiffen. Souvenirs zeigten, dass der 77-jährige Hausbesitzer und seine Frau oft auf Reisen waren. Bis zuletzt hatten sich die beiden gegen eine Versteigerung ihres Hauses gewehrt. Das Paar war bei der Besichtigung anwesend, zog sich aber zurück und beantwortete keine Fragen.
Was genau zur Zwangsversteigerung führte, ist nicht bekannt. Klar ist aber: Das Paar hatte dem Kreditgeber, der Zürcher Kantonalbank (ZKB), seit Anfang 2018 den Hypothekarzins in der Höhe von 4 Prozent nicht mehr gezahlt. Die ZKB verlangte deshalb die Versteigerung des Grundstücks. Das Paar schuldete der Bank inklusive Rückzahlung der Hypothek 953000 Franken und einer Privatperson zusätzlich über 151000 Franken. Beide Forderungen waren mit einem Grundpfand abgesichert.
Vorne auf der Bühne eröffnet der Betreibungsbeamte Silvio Senger die Versteigerung. Die Anwesenden verzichten auf das Verlesen des Verzeichnisses der Grundpfänder und der Steigerungsbedingungen. Senger weist darauf hin, dass die Liegenschaft mit allen Belastungen versteigert wird. Der Käufer muss aber nur den Zuschlagspreis bezahlen. Die darüber hinaus gehenden Forderungen verfallen. Der Käufer muss dann aber noch für alle Kosten im Zusammenhang mit der Eigentumsübertragung und der Löschung der Pfandtitel aufkommen. Eine allfällige Zwangsräumung ist Sache des neuen Eigentümers. Schliesslich müsste sich der Käufer auch bewusst sein, dass er das Haus ohne jegliche Gewährleistung erwirbt. Das bedeutet: Sollten nach dem Kauf Mängel sichtbar werden, kann er dafür niemanden belangen.
Jetzt beginnt die Versteigerung. Niemand darf den Saal verlassen. Ein Paar in der hintersten Reihe beginnt mit einem Gebot von 100000 Franken. Es hält das Schild mit der Nummer 3 in die Höhe und nennt den Betrag. Er wird rasch übertrumpft: 150000, 500000, 550000 und 600000 Franken werden geboten. Sieben Parteien halten abwechselnd ihre Schilder hoch. Ab 1,02 Millionen Franken steigen die Gebote nur noch in 10 000er-Schritten. Schliesslich erhält das insgesamt 28. Gebot den Zuschlag: «1,11 Millionen Franken sind geboten von Nummer 7», ruft Silvio Senger, «zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten.» Ein Hammerschlag besiegelt den Zuschlag.
Hinter Nummer 7 verbergen sich Toni Spaltenstein und sein Schwiegersohn Remo Walt. Spaltenstein hat nicht für sich geboten, sondern für seine Tochter, die wegen der kürzlichen Geburt ihres ersten Kindes nicht an der Versteigerung teilnehmen konnte. Spaltenstein betritt die Bühne. Senger schaut sich dessen Ausweis sowie die Vollmacht der Tochter an und prüft, ob die erforderliche Anzahlung von 50 000 Franken geleistet wurde. Alles erweist sich als korrekt. Die junge Familie Walt kann die Liegenschaft 140 000 Franken unter dem Schätzwert erwerben. Es folgt ein Schlussapplaus und die Leute verlassen den Saal. Ein Gemeindeangestellter beginnt, die Tische zu desinfizieren.
Immobilie ersteigern: Das sollten Interessenten beachten
Wer sich für Zwangsversteigerungen von Immobilien interessiert, findet alle Ausschreibungen im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB, im Internet unter www.shab.ch.). Es publizierte im vergangenen Jahr insgesamt 449 Grundstücksteigerungen. Bei Shab.ch gibt man im Suchfeld den Begriff «Grundstücksteigerung» ein. Die Treffer lassen sich durch verschiedene Filter einschränken. Eine gedruckte Ausgabe des SHAB gibt es seit Anfang 2018 nicht mehr.
Publiziert werden die Versteigerungen auch in den jeweiligen kantonalen Amtsblättern. Daneben publizieren die Betreibungs- und Konkursämter die Grundstücksteigerungen oft auch in Tageszeitungen oder auf Immobilienplattformen wie Homegate.ch oder Newhome.ch.
Ersparen kann man sich kostenpflichtige private Internetseiten wie www.zwangsversteigerung.ch oder www.isv-verlag.ch. Laut Bogdan Todic von der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz sammeln diese Stellen lediglich die verfügbaren amtlichen Informationen.
Wer sich für eine konkrete Liegenschaft interessiert, sollte beim zuständigen Betreibungs- und Konkursamt die Unterlagen wie Lastenverzeichnis, Steigerungsbedingungen sowie den Schätzbericht beschaffen und diese sorgfältig prüfen.
Unerlässlich ist es auch, das Objekt vorher zu besichtigen. Allenfalls lohnt es sich, für die Besichtigung einen Experten beizuziehen.
Wer an einer Auktion mitbieten will und im Falle des Kaufs auf eine Hypothek angewiesen ist, sollte sich rechtzeitig von einem Hypothekargeber (Bank, Versicherung, Pensionskasse) schriftlich bestätigen lassen, dass die Finanzierung des Objekts bis zu einem gewissen Maximalbetrag übernommen wird.
Um die ersteigerte Immobilie nach dem Zuschlag erwerben zu können, ist ferner vor Ort eine Anzahlung in bar oder mit Check notwendig. Je nach Betreibungsamt ist auch eine vorgängige Banküberweisung möglich.
In den vergangenen Jahren wurde es laut Bogdan Todic zunehmend schwieriger, Liegenschaften zu Schnäppchenpreisen zu ersteigern. Die Nachfrage habe stark zugenommen. An den Steigerungen sei nun häufig ein breites Publikum anwesend, das marktübliche Preise biete.
Dazu kommt: An der Versteigerung ist immer auch die Gläubigerbank anwesend, welche die Zwangsversteigerung veranlasste. Sie ersteigert das Objekt selber, wenn die Gebote zu tief liegen. Anschliessend versucht die Bank dann, die Immobilie auf dem freien Markt zu einem höheren Preis zu verkaufen.