Vor ein paar Monaten ist Mark Pfenninger in das kleine Doppeleinfamilienhaus in Pratteln BL eingezogen, das er von seinen Eltern geerbt hat. Seine neuen Nachbarn in der anderen Haushälfte, Karl und Erna Schäfer, sind schon älter. Pfenninger vermutet deshalb, dass Schäfers ihre Immobilie schon bald verkaufen werden (alle Namen geändert).
Um auf Nummer sicher zu gehen und weil er langfristig ohnehin mehr Platz für seine wachsende Familie benötigt, bittet er Schäfers um ein Vorkaufsrecht an deren Hausteil.
Der Wunsch ist verständlich, und Schäfers möchten ihn um der guten Nachbarschaft willen auch nicht einfach abschlagen. Dennoch zögern sie, denn sie möchten vorher wissen, welche Auswirkungen ein Vorkaufsrecht hätte.
Vorkaufsrecht bringt beim Verkauf mehr Umtriebe mit sich
- Verkauft ein Besitzer seine Immobilie, hat der Vorkaufsberechtigte innert einer bestimmten Frist das Recht (aber nicht die Pflicht), das Haus oder die Wohnung zu dem Preis zu übernehmen, den ein Dritter bietet. Faktisch ist das immer noch ein Verkauf an den Meistbietenden. Bietet nämlich ein Aussenstehender viel, muss der Vorkaufsberechtigte zu diesem Preis einsteigen. Ist ihm der Preis zu hoch, muss er notgedrungen auf sein Vorkaufsrecht verzichten, er kann also nicht seine eigene tiefere Preisvorstellung durchsetzen.
- Das Gesagte gilt für den Fall, dass das Vorkaufsrecht ohne Festlegung eines Verkaufspreises abgemacht wurde. Das ist der häufigste Fall. Es ist aber auch möglich, im Vorkaufsvertrag einen bestimmten Preis abzumachen. Das kann nachteilig sein: Wenn dann ein Aussenstehender mehr bietet als den festgesetzten Preis, kommt der Vorkaufsberechtigte dennoch zum ursprünglich abgemachten Fixpreis zum Zug. Hausbesitzer vergeben sich so die Chance, zwischenzeitlich eingetretene Wertsteigerungen zu realisieren.
Damit ist klar: Ein Vorkaufsrecht bringt bei einem Verkauf mehr Umtriebe, weil der Verkäufer den bereits ausgehandelten und unterschriebenen Vertrag noch dem Vorkaufsberechtigten zeigen muss. So geht Zeit verloren, denn gemäss Gesetz hat der Vorkaufsberechtigte drei Monate lang Zeit, um sich zu überlegen, ob er von seinem Recht Gebrauch machen will. Das kann fremde Käufer abschrecken – besonders dann, wenn sie schnell einziehen möchten oder noch an weiteren Objekten interessiert sind und daher rasch Klarheit brauchen. Diese Frist kann allerdings per Vertrag auch abgekürzt werden.
Tipp: Für ein Vorkaufsrecht sollte man vertraglich eine Entschädigung vereinbaren. Hat der Berechtigte grosses Interesse an der Liegenschaft, ist ihm das Geld wert – und der Verkäufer kann sich auf diese Weise für die erwähnten Umtriebe beim Verkauf entschädigen lassen. Diese Entschädigung wird jeweils im Vorkaufsvertrag geregelt.
Ihre Höhe ist letztlich Verhandlungssache. Im Fall von Mark Pfenninger sagt Oliver Rappold, Rechtsanwalt mit Spezialgebiet Bau- und Immobilienrecht: «Ein paar Tausend Franken oder auch mehr wären in diesem Fall wohl angezeigt.»
Vorkaufsrecht: Auf diese Punkte muss man achten
- Ein Vorkaufsrecht ist ein Vertrag zwischen zwei Parteien. Er verpflichtet den Eigentümer einer Liegenschaft zum Verkauf des Hauses an den Vorkaufsberechtigten, falls dieser bereit ist, den Vertrag zu den mit einem Drittinteressenten ausgehandelten Bedingungen abzuschliessen. Der Vertrag ist in schriftlicher Form gültig. Einen Mustervertrag finden Sie auf der Website von K-Geld (www.kgeld.ch/Service/Musterbriefe/Haus + Familie).
- Man kann in einem Vorkaufsvertrag den Kaufpreis auch im Voraus bestimmen. In diesem Fall verpflichtet sich der Eigentümer, die Liegenschaft dem Vorkaufsberechtigten zu diesem Preis zu verkaufen, wenn er sie verkaufen will. Ein solcher Vertrag ist nur gültig, wenn er notariell beurkundet ist. Er eignet sich beispielsweise bei einer Erbteilung. Erhalten diejenigen Erben, die eine Liegenschaft nicht übernehmen, ein Vorkaufsrecht zu einem bestimmten Preis, lässt sich vermeiden, dass derjenige Erbe, der die Liegenschaft übernimmt, sie bald mit Gewinn weiterverkauft. Denn in diesem Fall könnten die andern Erben zum festgesetzten Preis zugreifen.
- Ein Vorkaufsrecht gilt maximal 25 Jahre lang. Im Vertrag kann eine kürzere Frist vereinbart werden.
- Ist nichts anderes abgemacht, ist das Vorkaufsrecht vererbbar.
- Gemäss Gesetz gilt: Sobald der Verkäufer einen Kaufvertrag mit einem Interessenten abgeschlossen hat, muss er die vorkaufsberechtigte
- Partei darüber informieren. Der Vorkaufsberechtigte hat dann gemäss Gesetz drei Monate Zeit, in den bestehenden Kaufvertrag mit den abgemachten Rahmenbedingungen einzutreten. Er muss quasi nur noch den Namen des Dritten durch seinen eigenen ersetzen lassen.
- Denkbar ist auch eine abweichende vertragliche Regelung: Gemäss dieser Variante muss der Verkaufsvertrag nicht zuerst formell abgeschlossen werden. Vielmehr genügt eine blosse Bekanntgabe des Vertrags. Auch die Frist, innerhalb welcher der Vorkaufsberechtigte die Übernahme des bestehenden Vertrags melden muss, kann zum Beispiel auf einen Monat verkürzt werden.
- Das Vorkaufsrecht kann im Grundbuch vorgemerkt werden, muss aber nicht. Ist das Vorkaufsrecht im Grundbuch eingetragen, ist auch der Grundbuchverwalter verpflichtet, den Vor- kaufsberechtigten über den anstehenden Handel zu informieren. Das bietet dem Vorkaufsberechtigten mehr Sicherheit.
- Ein Vorkaufsrecht gilt nur, wenn die Immobilie effektiv verkauft werden soll. Wird eine Liegenschaft hingegen vererbt oder verschenkt, kommt das Vorkaufsrecht nicht zum Tragen.