«Gauner + Staat unschön im Einklang»: So titelten die «Wiler Nachrichten» in Wil SG im Juli 2014. Eine Frau hatte dem inzwischen verurteilten Anlagebetrüger Marcel B. 100000 Franken anvertraut. B. habe damals vorgegeben, er könne mit seinen Firmen Bodmer Financial Services sowie Bofis AG Gewinne mit Devisengeschäften erwirtschaften.
Doch die Frau habe das ganze Geld verloren. B. habe ein Schneeballsystem betrieben und auf Monatsauszügen Gewinne ausgewiesen, die gar nicht existierten. Diese Scheingewinne müsse die Frau jetzt als Einkommen versteuern. Da betreibe der «gierige Vater Staat» eine «eiskalte Machtanmassung», empörte sich das Blatt.
Diese Empörung dürften die Erben eines Mannes teilen, die im Dezember 2016 vor Bundesgericht abblitzten. Ihr Vater hatte 2002 und 2003 der Regmo GmbH in Roveredo GR 370000 Franken anvertraut. Die Regmo betrieb laut Bundesgericht ein «betrügerisches Anlagesystem mit Schneeballcharakter». K-Geld berichtete dies unter dem Titel «Wunderrendite war Fata Morgana» (K-Geld 6/2003). Diese Fata Morgana müssen die Erben des Mannes nun versteuern.
Wie bei Schneeballsystemen üblich, hatte der Vater der Erben die Mitteilung erhalten, er habe Gewinne erzielt, die man theoretisch ausschütten könnte, angeblich 134000 Franken. Doch wie immer bei solchen Vorgängen wurde der Mann aufgefordert, die Gewinne im System zu belassen, um weiter zu profitieren. Was er auch tat.
Rund 35000 Franken Nachsteuern für fiktives Einkommen
Als das Steueramt davon Wind bekam, schickte es eine Nachsteuerrechnung über rund 35000 Franken. Die Erben wehrten sich bis vor Bundesgericht – vergeblich. Besonders bitter: Als das Regmo-Schneeballsystem zusammenkrachte, erhielten die Erben aus der Konkursmasse von den einst investierten 370000 Franken nur gerade rund 26000 Franken zurück.
Gemäss Bundesgericht machten die Betreiber des Schneeballsystems bis im November 2003 Auszahlungen an die Investoren. Weil der Verstorbene die Erträge stehen liess bzw. Gutschriften akzeptierte und wieder investierte, gälten diese als «realisiert» und seien damit als Vermögensertrag steuerbar. Die Tatsache, dass diese Gutschriften keine Investmentgewinne waren, sondern nur eine Umverteilung von Geldern innerhalb des Systems, konnte die Bundesrichter nicht umstimmen.
Als Warnung für die Allgemeinheit schreibt das Bundesgericht: «Auch in einem betrügerischen Anlagesystem erworbenes Einkommen ist steuerbar, und zwar ungeachtet dessen, ob strafbares Verhalten nur seitens des Vermögensverwalters oder auch seitens der Investoren vorliegt.» Da gebe es keinen Raum für «moralisch-sittliche Wertungen». (Urteil 2C_342/2016 vom 23. Dezember 2016)
Der Zürcher Treuhänder und Steuerberater Kurt Oehler hat die Erben in dieser Sache beraten: «Das ist eine Ohrfeige für die Opfer.» Das Ganze sei ein Justizskandal. «Die Schweiz gilt als mustergültiger Rechtsstaat. Aber vor überbordenden Ansprüchen des Fiskus gibt es keinen wirklichen Rechtsschutz.»
Das neue Urteil betrifft auch Ipco-Geschädigte. Von 1997 bis 2004 hat die Schwyzer Devisenhandelsfirma Ipco rund 600 Anleger mit einem betrügerischen Schneeballsystem um rund 125 Millionen Franken geprellt. K-Geld kennt einen Mann, der so rund 200000 Franken verlor. Er musste dennoch rund 12500 Franken als Gewinnsteuern zahlen. Ein anderer Geschädigter wehrt sich noch vor Gericht dagegen. Der Ausgang ist offen.