Die Tante von Samuel Küng (Name geändert) aus Solothurn starb Ende Februar in Zürich. Die 77-Jährige hatte kein Testament verfasst. Für die Verteilung der Erbschaft gilt deshalb das Gesetz. Erbberechtigt sind danach die hinterbliebenen Verwandten der Verstorbenen: ihre zwei noch lebenden Schwestern und die Kinder der bereits verstorbenen Geschwister. Küng gehört als Neffe zu den gesetzlichen Erben.
Wer erbt, bekommt aber nicht unbedingt etwas geschenkt. Die Erben erhalten nicht bloss die Aktiven, sondern auch die Passiven des hinterlassenen Vermögens. Eine Erbschaft kann daher auch überwiegend aus Schulden der verstorbenen Person bestehen. Deshalb sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, eine Erbschaft auszuschlagen. Dafür setzt es den Erben eine Frist von drei Monaten. Diese beginnt für gesetzliche Erben wie Samuel Küng mit der Kenntnis des Todes der Tante, für per Testament oder Erbvertrag eingesetzte Erben mit der amtlichen Mitteilung über die Erbschaft.
Küng hatte mit der verstorbenen Tante nur losen Kontakt. Er weiss nicht, ob sie überschuldet war, als sie starb. Auch die Miterben wissen nichts Genaues. «Sie lebte allein in der Stadt Zürich, niemand kennt ihre wirtschaftlichen Verhältnisse», sagt Küng. Er wollte deshalb von K-Geld wissen, wie er sich rasch einen Überblick über das Erbe verschaffen könne. Das Problem: Um Auskünfte von Banken und Behörden zu erhalten, muss er sich als Erbe ausweisen können. Einen amtlichen Erbschein erhält er aber erst, wenn er sich dazu entschliesst, das Erbe anzunehmen. Wie vorgehen? Drei Varianten stehen zur Wahl:
1. Einfach und günstig: Die Auskunftsbescheinigung
Die beste Variante, um rasch an Informationen zur finanziellen Situation von Verstorbenen zu gelangen, ist die sogenannte Auskunftsbescheinigung. Dieses Dokument ist im Zivilgesetzbuch nicht vorgesehen und deshalb nicht geregelt. Es ist nur in zwölf Kantonen erhältlich (AR, BL, BS, GL, GR, LU, SH, SZ, SO, SG, TG, ZH). Die Bescheinigung kostet bis 160 Franken. Die Erben können diese bei der Gemeinde am letzten Wohnsitz des Verstorbenen verlangen («K-Tipp» 7/2020). In Basel-Stadt zum Beispiel ist dafür das Erbschaftsamt zuständig, im Kanton Thurgau das Notariat. Samuel Küng kann sich in Zürich an das Bezirksgericht wenden. Die Bescheinigung kostet dort 160 Franken. Dazu kommen Barauslagen für allfällig notwendige Zivilstandsurkunden.
Mit dieser Bescheinigung kann Küng dann bei Banken, dem Steueramt und dem Betreibungsamt die Unterlagen zur finanziellen Situation der Tante einsehen. Sie schützt ihn aber nicht vor bösen Überraschungen. Es ist möglich, dass die Tante noch offene Schulden hatte, die in diesen Unterlagen nicht erwähnt sind – etwa eine hohe Zahnarztrechnung oder ein zinsloses privates Darlehen.
2. Die beste Absicherung: Das öffentliche Inventar
Jeder Erbe kann innert eines Monats am letzten Wohnsitz des Verstorbenen ein öffentliches Inventar verlangen. Das zuständige Amt erstellt dann eine Übersicht über die finanzielle Lage. Es fordert unter Angabe der Personalien des Verstorbenen alle Schuldner und Gläubiger öffentlich im Amtsblatt oder anderen Medien auf, allfällige Forderungen oder Schulden anzumelden. Anschliessend erhalten die Erben ein Verzeichnis über die Aktiven und Passiven. Das Amt setzt ihnen eine Frist von einem Monat, um die Erbschaft anzunehmen, sie auszuschlagen oder die «Annahme unter öffentlichem Inventar» zu verlangen. Letzteres bedeutet: Die Erben haften nur für Schulden, die im Inventar verzeichnet sind. Das Risiko ist also kalkulierbar.
Der Haken: Ein öffentliches Inventar ist nicht billig, die Erben müssen die Kosten in der Regel im Voraus bezahlen. Im Kanton Zürich etwa kostet es gemäss Bezirksgericht Zürich «mehrere Tausend Franken», der Kostenvorschuss beträgt laut Sprecher Patrick Strub in der Regel 4000 Franken. Andere Kantone sind günstiger: Im Kanton Glarus etwa belaufen sich die Kosten in der Regel auf ungefähr 2000 Franken, im Kanton Baselland auf 1500 Franken.
Die Kosten des Inventars werden aus der Erbschaft entnommen. Reichen diese Mittel nicht, müssen die Erben, die das Inventar beantragt haben, für den Rest aufkommen.
3. Null Risiko: Die Ausschlagung
Erben können eine Erbschaft auch ausschlagen. Dann haben sie damit nichts zu tun – müssen keine offenen Rechnungen bezahlen und sich um nichts kümmern. Die Ausschlagung müssen sie bei der zuständigen kantonalen Behörde erklären. In Zürich muss man sich dafür an das Bezirksgericht am letzten Wohnsitz des Verstorbenen wenden, in Bern an das lokale Regierungsstatthalteramt.
Aufgepasst: Verhalten sich Erben so, als hätten sie die Erbschaft angenommen, können sie nicht mehr ausschlagen. Das gilt etwa, wenn ein Erbe Gegenstände der verstorbenen Person an sich nimmt oder diese verheimlicht.
Schlagen sämtliche Erben und auch deren Nachkommen aus, wird die Hinterlassenschaft durch das Konkursamt liquidiert. Bleibt danach etwas übrig, geht der Rest trotz Ausschlagung an die Erben.
Übrigens: Samuel Küng hat mit Hilfe einer Auskunftsbescheinigung den Steuerausweis seiner verstorbenen Tante erhalten. Er entschied sich, das Erbe auszuschlagen.