Sie könne fast nicht glauben, was sie neulich gehört habe, schreibt eine K-Geld-Leserin: Dass Schweizerinnen und Schweizer Erbschaften in den USA versteuern müssten. In ihrem Bekanntenkreis herrsche totale Unsicherheit: «Was dürfen wir noch an US-Titeln kaufen oder behalten und was nicht?»
Was die Frau gehört hat, ist kein schlechter Witz, sondern Realität. Wohl gibt es seit 1951 zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Im Gegensatz zu anderen Staaten versäumte es die Schweiz aber, in diesem Abkommen die Besteuerung von amerikanischen Vermögenswerten im Nachlass auszuklammern. Alle Versuche, dies nachzuholen, scheiterten bisher am Desinteresse der USA.
Betroffen von der US-Nachlasssteuer sind neben schweizerisch-amerikanischen Doppelbürgern oder Greencard-Besitzern auch Schweizer ohne US-Bürgerrecht, die in der Schweiz wohnen und nie Wohnsitz in den USA hatten. Wenn sie erben, müssen sie alle Vermögenswerte, die einen US-Bezug haben, versteuern, sofern sie nicht unter eine Freibetragsgrenze fallen.
Dazu gehören Liegenschaften in den USA, in den USA aufbewahrte Wertgegenstände und alle in den USA ausgegebenen Wertschriften. Das sind Aktien von Gesellschaften mit Sitz in den USA – etwa Apple, Coca-Cola oder General Electric. Auch Obligationen von US-Schuldnern zählen dazu – sowie alle Anlagevehikel, die in den USA ausgegeben worden sind, etwa Fonds.
Ausnahmen: Fonds mit US-Bezug, die nicht in den USA aufgelegt werden, unterstehen nicht der amerikanischen Nachlasssteuer. Vielleicht hat jemand einen Indexfonds (ETF) des New Yorker Vermögensverwalters Black Rock im Depot. Ist dieser Fonds vom Black-Rock-Ableger in Irland emittiert worden, fällt er nicht unter die US-Erbschaftssteuer. Auch ein in Luxemburg ausgegebener Fonds, der zu 100 Prozent in US-Aktien investiert ist, fällt nicht darunter.
US-Vermögenswerte: Freigrenze von 60000 Dollar
Ähnlich verhält es sich mit Bargeld. Gemäss Richard Barjon, US-Spezialist bei PricewaterhouseCoopers in Zürich, ist entscheidend, wo dieses verwahrt ist. Sind die Dollars in einem Schliessfach in den USA, fallen sie unter die US-Nachlasssteuer. Liegen sie auf einem Konto einer Nicht-US-Bank ausserhalb der Vereinigten Staaten, werden sie nicht besteuert.
Nicht-US-Personen, die US-Vermögenswerte unter einem Gesamtbetrag von 60 000 Dollar besitzen, brauchen keine Nachlasssteuer zu bezahlen. Liegt man knapp darunter, gilt es zu bedenken, dass bei Gewinnausschüttungen oder steigenden Aktienkursen die Freigrenze plötzlich überschritten wird.
Auch US-Vermögenswerte über 60000 Dollar müssen im Todesfall nicht zwingend versteuert werden. Für diese Fälle gibt es eine weitere, allerdings kompliziert zu bestimmende Freigrenze. Der Willensvollstrecker oder die Erben müssen den US-Steuerbehörden ein Formular einreichen, in dem nicht nur die US-Vermögenswerte, sondern das Gesamtvermögen des Verstorbenen erfasst und dokumentiert ist. Dazu gehört beispielsweise auch das Ferienhaus in Südfrankreich – zum Marktwert ausgewiesen. Auch ins Englische übersetzte Kopien von Testamenten und letztwilligen Verfügungen, von Ehe- und anderen Verträgen dürfen nicht fehlen.
In den USA gilt für die Nachlasssteuer ein Freibetrag von 5 Millionen Dollar, der jährlich um die Teuerung angepasst wird. Aktuell liegt er bei 5,45 Millionen Dollar. Dieser Wert wird auch für Nicht-US-Personen beigezogen, aber nicht zu 100 Prozent. Für sie gilt der prozentuale Anteil der US-Werte an ihrem Gesamtvermögen als Freigrenze. Bei einem Vermögen von 1 Million Dollar, wovon 90 000 Dollar in US-Werte investiert sind, liegt die Steuerfreigrenze bei 9 Prozent von 5,45 Millionen, also bei 490 500 Dollar. Die US-Werte von 90 000 Dollar liegen weit darunter. Damit entfällt in diesem Fall die Erbschaftssteuer.
Kritisch wird es vor allem dann, wenn nur ein geringer Anteil des Vermögens in US-Wertschriften angelegt ist. Sind es wiederum 90000 Dollar bei einem Gesamtvermögen von 6 Millionen, sinkt der prozentuale Anteil der US-Werte auf 1,5 Prozent. Der Freibetrag kommt auf 81750 Dollar zu liegen. Es bleibt bei diesem Beispiel eine Differenz von 8250 Dollar, die versteuert werden muss. Der Steuersatz ist progressiv. Er liegt bei mindestens 18 und höchstens 40 Prozent.
Und was ist, wenn ein Schweizer Erbe von US-Werten denkt, diese US-Steuervögte können mich mal gern haben? Das kann man denken. Möglicherweise ist es dann aber besser, keine Ferienreise mehr in die USA zu buchen.
Tipp: So vermeidet man die US-Erbschaftssteuer
Wer seinen Nachkommen Kosten und administrativen Ärger mit den US-Steuerbehörden ersparen will, muss wissen:
Liegenschaften und andere sich in den USA befindlichen Wertgegenstände unterliegen der US-Nachlasssteuer.
Aktien von Gesellschaften mit Sitz in den USA, Anleihen von US-Schuldnern und in den USA emittierte Anlagepapiere werden ebenfalls besteuert. Wer kein Steuerrisiko eingehen will, verzichtet ganz auf Anlagen in US-Wertschriften – oder investiert nur in Fonds oder Anlagepapiere, die ausserhalb der USA ausgegeben werden.
US-Vermögenswerte von insgesamt weniger als 60000 Dollar müssen nicht versteuert werden.
Bei US-Vermögenswerten über 60000 Dollar ist der Steuerfreibetrag vom Gesamtvermögen abhängig. Um Steuerfreiheit geltend zu machen beziehungsweise um die Höhe der Steuern zu ermitteln, muss zuhanden der US-Steuerbehörden eine aufwendige Dokumentation erstellt werden.