Verunfallte Angestellte sind über ihren Betrieb versichert, wenn sie mehr als acht Stunden pro Woche arbeiten. Die obligatorische Unfallversicherung des Arbeitgebers zahlt die Heilungskosten und ab dem dritten Tag ein Unfalltaggeld, das den kurzfristigen Lohnausfall ersetzt. Wird jemand wegen eines Unfalls dauerhaft erwerbsunfähig – also invalid –, fliesst aus der Unfallversicherung, der Invalidenversicherung (IV) sowie der Pensionskasse insgesamt eine Rente bis maximal 90 Prozent des bisherigen Lohns, und zwar bis zur Pensionierung.
Wer hingegen aufgrund einer Krankheit invalid wird, erhält von Gesetzes wegen nur eine Rente der IV und der Pensionskasse. Die persönliche Krankenkasse zahlt die Arzt- und Spitalkosten. Die meisten Arbeitgeber haben für ihre Angestellten zudem freiwillig eine Taggeldversicherung abgeschlossen, die ihnen maximal zwei Jahre lang mindestens 80 Prozent des bisherigen Lohns zahlt. Nachher endet jedoch der Lohnersatz. Die Renten der IV und der Pensionskasse ersetzen gemeinsam nur rund 60 Prozent des bisherigen Lohns – je nach den Leistungen der Pensionskasse.
Das Risiko, aufgrund einer Krankheit invalid zu werden, ist deutlich höher als das Risiko, aufgrund eines Unfalls invalid zu werden. Eine Krankheit ist laut Statistik der IV von 2019 für 80 Prozent aller Invaliditätsfälle verantwortlich, ein Unfall nur für 7 Prozent. Der Rest sind Geburtsgebrechen.
Die Einkommenslücke bei krankheitsbedingter Invalidität lässt sich mit einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung decken. Diese zahlt je nach Vertrag im Falle eines Falles ein bestimmtes Kapital oder eine Rente aus.
Sinnvoll für Leute, die mit ihrem Einkommen für eine Familie sorgen
Eine zusätzliche Invalidenrente kann besonders für Erwerbstätige sinnvoll sein, die allein oder mehrheitlich für das Einkommen ihrer Familie sorgen und allenfalls im verschuldeten Eigenheim leben. Eine massive Einkommenseinbusse kann in solchen Fällen zu grossen finanziellen Problemen führen. Empfehlenswert ist eine Rente auch für Selbständigerwerbende, die oft in keiner Pensionskasse versichert sind. Das bedeutet: Bei langjähriger Arbeitsunfähigkeit zahlt nur die Invalidenversicherung eine Rente. Dazu erhalten Betroffene allenfalls noch Ergänzungsleistungen.
Die Höhe der zu versichernden Rente sollte davon abhängen, wie viel Geld man bei Invalidität von IV und Pensionskasse erhält und wie gross das benötigte Einkommen ist. Eine allfällige Einkommenslücke kann man mit der Rente bis zur Pensionierung decken. Ab dann fliessen die Altersrenten der AHV und der Pensionskasse. Selina Wyss, Leiterin Vorsorgeplanung beim VZ Vermögenszentrum, rät: «Vor dem Abschluss einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung sollte man eine Bedarfsanalyse machen.»
Ein Vergleich von K-Geld zeigt, dass sich die Bruttoprämien deutlich unterscheiden – bei gleichen oder vergleichbaren Leistungen. Die Tabellen rechts oben zeigen, wie viel eine Invalidenrente von monatlich 2000 Franken für einen 35-jährigen kaufmännischen Angestellten und eine solche von 4000 Franken für eine 40-jährige Ärztin kosten. Beim Angestellten ist die Zürich mit einer Jahres-Bruttoprämie von 673 Franken am günstigsten, am teuersten die Axa mit 913 Franken. Im günstigsten Fall (Mobiliar) zahlt die Ärztin 1315 Franken im Jahr, am teuersten ist die Zürich mit 1969 Franken. Die meisten Versicherungen zahlen bei einer Invalidität von mindestens 66,6 Prozent bis zur Pensionierung eine volle Rente aus.
Die Versicherungen legen den Grad der Invalidität in der Regel nach den gleichen Kriterien fest wie die staatliche IV. Wer nur zu 40 Prozent erwerbsunfähig ist, erhält auch nur 40 Prozent der vereinbarten Rente. Die meisten Versicherungen zahlen bis zu einem Invaliditätsgrad von 25 Prozent keine Rente. Die Wartefrist bis zur erstmaligen Auszahlung der Rente ist mit zwei Jahren angesetzt, weil angenommen wird, dass bis dahin noch Krankentaggeld fliesst. Je länger die Wartefrist, desto tiefer die Prämie.
Es lohnt sich, mehrere Offerten einzuholen. Im K-Geld-Vergleich sind die Bruttoprämien ohne nicht- garantierte Überschüsse gerechnet. Anders als früher sind allerdings auch die Bruttoprämien nicht mehr garantiert. Die Versicherer nehmen sich heraus, diese je nach Geschäftsgang später zu erhöhen. Einzig die Basler gewährt während der ersten fünf Versicherungsjahre noch eine Prämiengarantie.
Erwerbsunfähigkeitsversicherung abschliessen: Das sollte man beachten
- Es gibt verschiedene Varianten von Erwerbsunfähigkeitsversicherungen. Einige versichern nur einen Erwerbsausfall bei Krankheit, andere nur bei Unfall, wieder andere bei Krankheit und Unfall. Bei aufgeschobenen Renten beginnen die Zahlungen erst nach Ablauf der Wartefrist und des Aufschubs. Bei einer kurzen Rente wird die Leistung nach der Wartefrist von drei Monaten nur während 21 Monaten bezahlt.
- Die Versicherungsgesellschaften verlangen bei gesundheitlichen Auffälligkeiten und in der Regel bei einer Rente ab 40000 Franken eine Gesundheitsprüfung.
- Je älter man beim Abschluss der Versicherung ist, desto höher fällt die Jahresprämie aus. Frauen zahlen weniger als gleichaltrige Männer.
- Erklärt die Invalidenversicherung eine versicherte Person als invalid, muss diese nach einer Wartefrist auch keine Prämien mehr zahlen – das ist die Prämienbefreiung bei Erwerbsunfähigkeit. In der Regel tritt diese Prämienbefreiung nach drei Monaten in Kraft.
- Bei einer Anpassung der Leistungen verlangen die meisten Versicherungen eine erneute Prüfung der beruflichen, persönlichen und gesundheitlichen Situation.
- Bei einem Selbsttötungsversuch mit anschliessender Invalidität, bei absichtlicher Selbstverstümmelung oder bei Verschweigen einer Vorerkrankung zahlt keine Gesellschaft eine Rente.
- Nach Vertragsende wird – im Unterschied zur gemischten Lebensversicherung (Sparversicherung) – keine Zahlung der Versicherungsgesellschaft fällig.
- Wer neben der Invalidenrente auch ein Todesfallkapital versichern möchte, um die Hinterbliebenen abzusichern, kann diese zwei Deckungen bei zwei verschiedenen Versicherungen abschliessen und je die günstigste Variante wählen. Alles Wichtige über Todesfallrisikopolicen steht in K-Geld 3/2021.
- Viele Versicherungsvertreter wollen ihren Kunden eine gemischte Lebensversicherung verkaufen, welche die Invalidenrente mit einem Sparprozess verbindet. Solche Sparversicherungen sind nicht empfehlenswert.
- Die Erwerbsunfähigkeitsrente lässt sich auch in der Säule 3a abschliessen. Die Prämien lassen sich dann von den Steuern abziehen.