Eine deftige «Tóptscheta» gönnt man sich in Bulgarien nicht nur in der kalten Jahreszeit. Bis auf ihren Namen hat die populäre Gemüsesuppe jedoch kaum noch einen Bezug zu dem sieben Millionen Einwohner zählenden Balkanland. Kartoffeln, Gelbe Rüben und Sellerie stammen heute aus Deutschland, Serbien und Polen. Peperoni liefern die Türken. «Nur Peterli und Bohnenkraut sind von hier», stellt Maria Stankova aus der Hauptstadt Sofia ironisch fest.
Ein Blick in die Supermärkte zeigt, dass Obst und Gemüse mehrheitlich aus der EU und den Nachbarländern eingeführt werden. «Einheimische Ware ist knapp und kostet mehr», sagt die Fremdsprachenlehrerin. Die hohe Inflation zwinge Haushalte mit bescheidenem Budget und Pensionierte, auf Auslandware auszuweichen. Ein Beispiel: Während rosarote Tomaten bulgarischer Herkunft zurzeit 4 bis 6 Lewa (2 bis 3 Franken) pro Kilo kosten, gibt es solche aus polnischer Produktion bereits für 3 Lewa oder umgerechnet Fr. 1.50.
Maria Stankova schätzt einheimisches Obst und Gemüse, «weil es meist hochwertiger und frischer ist – und besser schmeckt». Fündig wird man etwa auf dem Markt im Stadtquartier «Schönes Dorf», wofür sie gerne eine längere Tramfahrt in Kauf nimmt.
Vor der Wende im Jahr 1990 versorgte sich Bulgarien mit Obst und Gemüse aus Eigenanbau noch vollständig selber. Heute stammen nur noch 20 Prozent aus einheimischer Produktion. Im einst dank fruchtbaren Böden und günstigem Klima als «Garten des Ostblocks» verklärten Land gaben immer mehr Bauern auf, weil sie zu wenig verdienten und keine Erntehelfer fanden.
Mit dem Beitritt Bulgariens zur Europäischen Union im Jahr 2007 verschärfte sich die Lage noch. Die Agrarförderbeiträge aus Brüssel sind flächenabhängig. Deshalb verdrängten bald ausgedehnte Getreide- und Sonnenblumen-Monokulturen den mässig subventionierten Anbau von Obst und Gemüse. Die griechische Anbaufläche ist ungefähr gleich gross wie die bulgarische – Griechenland erhält dafür jedoch den dreifachen Subventionsbetrag. Inzwischen sind die Ernteerträge in Bulgarien etwa halb so hoch wie im Durchschnitt der EU.
Dass es so weit kam, dürfe man aber nicht nur Brüssel anlasten, meint Stankova. Die Regierung habe es unterlassen, den Obst- und Gemüsesektor bei den Reformen angemessen zu berücksichtigen. «Jetzt zeigt sich, dass in Bulgarien eine verkorkste Landwirtschaftspolitik betrieben wurde», bekräftigt sie und verstaut ihren Einkauf, darunter Peperoni mit so skurrilen Namen wie «scharfe Rumänin».