Alfred Wandeler aus dem Raum Bern (Name geändert) war bei einer mittelgrossen Firma in seiner Region beschäftigt. Sein Arbeitgeber hat eine firmeneigene Pensionskasse – und deren Reglement enthält eine Spezialität, die in der Schweiz selten ist: Wenn Angestellte pensioniert werden, müssen Sie einen Teil des Alterskapitals bar beziehen. Den Rest erhalten sie als Rente, falls sie das wünschen.
Steuerersparnis durch Einkauf nachträglich annulliert
Für Alfred Wandeler heisst das: Er bezieht seit seiner Pensionierung eine ganz normale monatliche Altersrente von rund 4000 Franken. Doch bei Rentenantritt musste er 99000 Franken seines Alterskapitals als einmalige Kapitalauszahlung bar beziehen.
Im Reglement seiner Pensionskasse laufen beide Zahlungen unter dem gemeinsamen Titel «Altersleistungen». Ein solcher Zwang zu einem teilweisen Barbezug ist erlaubt, falls das gesetzliche Obligatorium eingehalten wird (siehe Unten).
Vier Jahre vor seiner geplanten Pensionierung hatte Wandeler 20000 Franken freiwillig – und zusätzlich zu den fixen Lohnabzügen – in die Pensionskasse einbezahlt. So konnte er seine Rente aufbessern. Und den einbezahlten Betrag konnte er bei der Einkommensteuer abziehen.
Wandeler wusste, dass er innert drei Jahren nach dem Einkauf kein Kapital aus der Pensionskasse entnehmen durfte – sonst würde er den mit der Einzahlung verbundenen Steuervorteil verlieren. Das schien ihm problemlos: Denn bis zum gesetzlichen Pensionsalter musste er noch vier Jahre arbeiten.
Doch Wandelers Arbeitgeber machte ihm einen Strich durch die Rechnung und schickte ihn noch vor Ablauf von drei Jahren in die Frührente. Deshalb annullierte die Steuerbehörde nachträglich die Steuerersparnis beim Einkauf. Das kostet ihn nun eine Nachsteuer von rund 4000 Franken.
Wandeler ärgert sich: «Ich habe bei meiner Pensionierung ausdrücklich die Rente verlangt.» Und er habe sich nie aktiv um eine Teil-Barauszahlung bemüht. Diese Kapitalabfindung sei ihm aufgezwungen worden. Deshalb liege das Steueramt falsch. Er könne ja nichts dafür, dass er gegen seinen Willen frühpensioniert wurde.
Bundesgericht stützt Praxis der Steuerbehörden
Doch juristisch ist der Mann chancenlos. Er argumentiert zwar, das einmalige Alterskapital sei eine zusätzliche Sonderleistung der Pensionskasse, die anhand der Dienstjahre berechnet werde. Und so gesehen zähle dieses nicht zum «normalen» Altersguthaben. Das seien zwei verschiedene Töpfe.
Doch darauf ging das Steueramt nicht ein. Jegliche Kapitalauszahlung der Pensionskasse – egal, unter welchem Titel – stellt nach der Betrachtungsweise der Behörden eine Verletzung der dreijährigen Sperrfrist dar.
Diese Praxis ist vom Bundesgericht abgesegnet. Das geht aus einem Entscheid gegen einen Arzt hervor, der zwei verschiedenen Pensionskassen angeschlossen war. Bei der einen Kasse, in die er sich eingekauft hatte, bezog er die Rente. Bei der zweiten liess er sich bar auszahlen. Auch in diesem Fall lag für das Bundesgericht eine Verletzung der Sperrfrist vor. Begründung: Bei den Geldern aus der Pensionskasse müsse man eine «Gesamtbetrachtung» vornehmen (K-Geld 2/2015).
Fazit: Einkäufe innerhalb der letzten drei Jahre vor der Pensionierung sind steuerlich nur dann abzugsfähig, wenn das Altersguthaben bei der Pensionierung vollumfänglich als Rente bezogen wird. Bei einer unerwarteten Frühpensionierung kann ein Einkauf zur Falle werden.
Der Zwang zum Kapitalbezug
Gemäss Pensionskassengesetz ist klar: Bei der Pensionierung haben alle Versicherten das unumstössliche Recht, das Altersguthaben der Pensionskasse vollumfänglich als Rente zu beziehen. Doch das Gesetz regelt nur den obligatorischen Teil der Altersvorsorge. Die meisten Versicherten verfügen auch über ein überobligatorisches Altersguthaben, weil sie mehr eingezahlt haben, als gesetzlich vorgeschrieben ist (K-Geld 3/2017).
Im Überobligatorium sind die Pensionskassen frei – und sie können auch festlegen, dass ein Teil des überobligatorischen Altersguthabens anlässlich der Pensionierung bar bezogen werden muss. Bedingung ist nur, dass das Gesetz eingehalten wird und dass alle Versicherten gleich behandelt werden.
Beispiel: Das gesamte Altersguthaben von 600000 Franken besteht je zur Hälfte aus obligatorischem und überobligatorischem Guthaben. Auf dem obligatorischen Teil von 300000 Franken muss zwingend eine Rente ausbezahlt werden. Mit dem aktuell gültigen gesetzlichen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent sind das zwingend 20400 Franken. Für den Rest darf die Pensionskasse im Reglement den Barbezug vorschreiben.
Diese Praxis ist allerdings relativ selten. Einen teilweisen Barbezugszwang kennen etwa die betriebseigenen Pensionskassen von Credit Suisse, Novartis und IBM. Gemäss der «Schweizer Pensionskassenstudie 2017» von Swisscanto ist kein Trend in diese Richtung zu erkennen.