Es war gut gemeint: Im Frühjahr 2009 organisierte ein Tessiner Regionalspital für seine Mitarbeiter einen Orientierungsabend. Das Thema lautete «Altersvorsorge». Referent war allerdings nicht ein unabhängiger Fachmann, sondern ein Verkäufer der Vermittlertruppe AWD (heute Swiss Life Select). Er bot im Anschluss an seine Ausführungen auch individuelle Beratungen an.
So kam es, dass Daniela Casetto aus Coldrerio TI auf Anraten des AWD-Verkäufers Geld investierte. Im Detail:
Der AWD hatte damals das «Investment Depot» im Angebot. Kundinnen und Kunden konnten aus einer grossen Anzahl von Anlagefonds eine Auswahl treffen und ihr Geld dort investieren.
Die Kundin entschied sich auf Anraten des Verkäufers für drei Aktienfonds mit weltweiter Streuung und für ein strukturiertes Produkt namens «Cliquet Note auf den SMI» der Bank Vontobel. Dieses garantiert einen Kapitalschutz von 100 Prozent bei Ablauf und macht einen Teil der Kursgewinne mit, wenn der Schweizer Aktienindex SMI steigt.
Die Tabelle zeigt, wie enttäuschend sich das Depot der Kundin entwickelte. In der Spalte «AWD-Depot» sind die Performance-Angaben zu sehen, die die Kundin von der Depotbank Bank Zweiplus erhielt. Gesamthaft ergab sich über die Periode von 2010 bis Mitte 2015 ein Verlust von über 9 Prozent.
Zum Vergleich: Der Schweizer Aktienindex SPI legte im gleichen Zeitraum um 69 Prozent zu, der Weltaktien-Index MSCI World um 58 Prozent.
Anlagefonds geben sich im Fondsprospekt in der Regel selbst eine sogenannte Benchmark vor, also eine Zielrendite, mit welcher sich die Performance des Fonds beurteilen lässt. Die Grafik zeigt, dass die Produkte, in welche die Frau investiert hatte, auch ihre eigene Zielrendite um Längen verfehlt haben.
Doch die Gründe für das schlechte Abschneiden des AWD-Depots liegen nicht nur darin, dass die ausgewählten Fonds enttäuschten. Eine wesentliche Ursache ist bei den Kosten zu suchen. Denn bei jedem Fondsinvestment haben der AWD beziehungsweise die Depotbank happige 5 Prozent für sich selber abgezogen.
Und noch etwas schlug negativ zu Buche. Die Kundin sagt, sie sei von ihrem Berater aufgefordert worden, regelmässig Bar-Rückzüge vom Depot zu machen, um so die Kursgewinne abzuschöpfen. Bei einer Aktienanlage, die langfristig ausgelegt ist, ist das ein klarer Fehler, weil man sich so die Chance vergibt, Kurssteigerungen voll mitzunehmen.
Swiss Life Select sagt aber, die Kundin habe die Verkaufsaufträge «ohne Zutun des Beraters erteilt». Und zum schlechten Abschneiden der Fonds: «Es ist immer einfach, es im Nachhinein besser zu wissen.»