Die Betreiber von Schweizer Finanzplattformen im Internet bezeichnen sich als «Finanzblogger» oder «Finfluencer», sind um oft um die 30 Jahre alt und liefern ihren Lesern Ratschläge zu Geldthemen. Typisches Beispiel ist die Website Schwiizerfranke.com des 31-jährigen Zürchers Eric Marschall. Er rühmt sich auf der Website, er habe «seit der Gründung im Jahr 2019 vielen Hunderttausend Menschen weiterhelfen» können.
Auf seinem Internetblog publiziert Marschall jeden Mittwoch einen Beitrag, zum Beispiel über den Schweizer Aktienmarkt oder über Indexfonds. Manchmal erklärt er Fachbegriffe wie «Korrelation» und «Volatilität». Vor kurzem empfahl Marschall die «zehn besten Finanzbücher 2023». Ganz neu sind diese allerdings nicht. So erschien etwa das Buch «Intelligent investieren» von Benjamin Graham bereits im Jahr 1949.
Schwiizerfranke.com erhält Provisionen per Mausklick
Auf Schwiizerfranke.com heisst es, man könne ein «Geschenk abholen». Wer auf den Hinweis klickt, sieht die angeblich «besten Schweizer Finanzdeals»: einen 100-Franken-Gutschein von Swissquote, 100 Franken vom Roboadvisor Clever Circles, ein Startguthaben von 50 Franken bei der Handybank Zak oder eine 35-Franken-Gutschrift bei der Vorsorge-App Frankly. Weitere Angebote stammen zum Beispiel von der Handybank Yuh (ein Gemeinschaftsunternehmen von Swissquote und Postfinance), dem Roboadvisor True Wealth, der Kryptowährungsapp Relai oder der Internetversicherung Smile (Helvetia).
Marschall erhält eine Provision, wenn jemand einen Gutschein benutzt und Neukunde wird. Je nach Partnerunternehmen bekommt Marschall auch bloss für Klicks oder erste Kundenkontakte eine Belohnung. Marschall sieht in diesem Geschäftsmodell kein Problem: «Kooperationen sind seit dem ersten Tag immer transparent deklariert.» Alle Links zu den aufgezählten Finanzinstituten seien mit einem Stern gekennzeichnet. Allerdings: Die wenigsten Benutzer dürften darunter verstehen, dass der Finfluencer von den entsprechenden Firmen Provisionen bekommt.
Auf ähnliche Weise betreibt Thomas Kovacs seinen Finanzblog Sparkojote.ch. Unter seinen Geschäftspartnern befinden sich der Edelmetallhändler Philoro, die Internetbank Swissquote und die Bank Cler. Kovacs sagt, bei allen Firmen, die ihn bezahlen, sei er selber Kunde: «Wichtig ist die Unabhängigkeit punkto Anlagetipps.»
Kovacs legt auf Sparkojote.ch sein persönliches Portfolio im Blog offen und kommentiert seine Zukäufe, gibt aber keine konkreten Kauf- oder Verkaufstipps. Von den Lesern selber habe er noch nie Geld genommen, sagt der 26-Jährige. Zu seinen Konkurrenten meint Thomas Kovacs: «Jeder, der Aufklärung betreibt, bereichert die Gesellschaft – egal, wie er sein Geld verdient. Wichtig ist, dass man seine Grenzen kennt.»
Zu den «Finfluencern» zählt auch Helga Baechler vom Blog Liebefinanzen.ch. Sie operiert mit Gutscheinen und bewirbt beispielsweise Bitpanda.com, eine österreichische Handelsplattform für Kryptowährungen. Auf ihrem Blog hat Baechler einen Erfahrungsbericht veröffentlicht, wie man bei Bitpanda ein Konto eröffnet. Dort findet sich laut Baechler «jeder Anfänger sofort zurecht». Die Anmeldung sei «super easy». Sie habe auf der Plattform Dogecoin gekauft, «die Kryptowährung mit dem süssen Shiba Inu». Shiba ist eine japanische Hunderasse. Gut zu wissen: Der Kurs dieser Digitalwährung sank innerhalb eines Jahres um 91 Prozent.
Auch Versicherungen sind Geschäftspartner der Blogs
Reto Stalder betreibt den Finanzblog Finanzdepot.ch. Wie bei Helga Baechler fällt sein Gesamturteil über Bitpanda.com positiv aus. Auf beiden Blogs gibt es einen Link zur Website der Plattform. Reto Stalder ist Schauspieler und bekannt aus der Schweizer TV-Serie «Der Bestatter». Zu seinen Bloggeschäftspartnern gehören die Internetbanken Neon, Yuh und Swissquote. Ausserdem arbeitet er mit weniger bekannten Versicherungsplattformen wie Emmalife oder Safeside zusammen.
Ein weiterer Blog mit dem gleichen Geschäftsmodell ist die Website Simplemoney.ch von Oliver Kunz. Er vergleicht beispielsweise Freizügigkeitskonten und hat einen Erfahrungsbericht zum Internetbroker Flowbank aufgeschaltet.
Ein anderes Geschäftsmodell verfolgt Fabio Marchesin auf dem Blog Finanzfabio.ch: Nebst einem kostenlosen Podcast bietet er ein sogenanntes Finanzcoaching an. Sein nächster Internetkurs startet am 10. April und kostet stattliche 1149 Franken. Speziell an Anlegerinnen richtet sich Missfinance.ch von Angela Mygind. Sie schreibt auf ihrer Website: «Ich mache hier keine Anlageberatung und ich übernehme keine Haftung. Dieser Blog beruht auf meinen Erlebnissen, enthält meine Erfahrung, und ich teile mein Wissen.»
Zu ihrem Geschäftsmodell schreibt sie: «Einige Links auf meiner Website enthalten Angebote, für die ich Provisionen erhalte.» Diese seien mit einem Stern markiert. Neben Zahlungen erhält Mygind auch fixe Beträge, zum Beispiel von der Versicherung Zurich. «Die Kooperation mit Zurich ist auf meinen Instagram-Kanal beschränkt», sagt Mygind dazu.
Blogs bieten keine unabhängige Beratung
Fazit: Keine der genannten Plattformen ist von der Finanzbranche unabhängig. Alle verdienen ihr Geld mit Provisionen für vermittelte Kunden. Das sollten Anleger bedenken, bevor sie Geldtipps der Blogs umsetzen.