Nichts zahlen, aber dafür vom Versicherten Geld verlangen? Theoretisch darf das eine Gesellschaft – dann nämlich, wenn klar feststeht, dass die versicherte Person betrügerisch eine Zahlung der Versicherung erschleichen wollte.
Genau das versuchte die Generali im Fall von Anna Bornhauser aus dem Kanton Zug (Name geändert). Die Frau hatte einen Diebstahl gemeldet – doch die Generali meldete Zweifel an.
«Ihre Aussagen sind in weiten Teilen erheblich widersprüchlich»
Konkret warf sie der Frau vor, ihre Aussagen über die näheren Umstände und die gestohlenen Sachen seien «in weiten Teilen erheblich widersprüchlich». Sie habe zum Beispiel im Polizeiprotokoll und dann im Schadenformular zu den gestohlenen Koffern, Schuhen und Kleidern unterschiedliche Farben angegeben. Sie habe zudem «stark überhöhte Wertangaben» gemacht. Und sowieso sei ihre «finanzielle Lage ganz offensichtlich seit längerer Zeit äusserst angespannt».
Die Generali warf der Frau auch Lappalien vor wie etwa: «In der uns eingereichten Schadenliste führten Sie auf, dass es sich um einen Trainingsanzug der Marke Puma handle. Bei der Besprechung erklärte uns Ihr Ehemann, es sei ein Nike-Produkt.»
Im gleichen Brief kündigte die Generali der Frau an, sie werde nicht nur nichts zahlen, sondern ihr im Gegenteil die Kosten für die Abklärung des Schadenfalls in Rechnung stellen. Eine Woche später kam eine Forderung über 1200 Franken für den «ausserordentlichen Bearbeitungsaufwand», verbunden mit der Bemerkung, die Generali verlange nicht den ganzen Aufwand. Und: «Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung behalten wir uns dies jedoch vor.»
Wer den Schaden nicht beweisen kann, ist noch kein Betrüger
Damit wäre Generali vor Gericht wohl abgeblitzt. Zwar kann man davon ausgehen, dass es der Frau nicht vollends gelungen ist, ihren Schaden zu beweisen. Doch das heisst noch lange nicht, dass sie deshalb eine Betrügerin ist.
Der Freiburger Rechtsprofessor Stephan Fuhrer sagt: Wenn die versicherte Person den Schaden nicht beweisen kann, muss der Versicherer keine Leistungen erbringen. Aber: «Die Tatsache, dass der Beweis des Schadenfalls misslingt, bedeutet nach Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht, dass umgekehrt der Beweis eines Versicherungsbetrugs erbracht ist.»
Fuhrer verweist auf ein Gerichtsurteil des Bundesgerichts vom 25. März 2011. Dort ging es um eine Schweizerin, deren Auto mitsamt Ölbild in Polen gestohlen worden war. Sie machte widersprüchliche Angaben über die Umstände und die Schadenhöhe. Darauf durfte zwar die Versicherung die Schadenübernahme verweigern – doch betrügerisches Handeln der Versicherten war damit nicht bewiesen.
Inzwischen hat es auch die Generali eingesehen: Sie kann nicht beweisen, dass Anna Bornhauser die Versicherung betrügen wollte. Sie hat wohl deshalb eine Kehrtwende gemacht und verzichtet auf die Forderung von 1200 Franken. Mehr noch: Sie hat der Versicherten angeboten, ihr 1000 Franken zu zahlen, um den Fall endgültig abzuschliessen. Das entspricht zwar nicht der effektiven Schadensumme von rund 4000 Franken – aber die Versicherte hat das Angebot trotzdem akzeptiert.
Die Generali erklärt, dieses Entgegenkommen geschehe nur «aufgrund der desolaten finanziellen Verhältnisse der Betroffenen».