Der heute 53-jährige Mann ist seit vielen Jahren psychisch angeschlagen und leidet immer wieder an depressiven Störungen. Er war deswegen auch schon teilweise arbeitsunfähig. 2011 wechselte der Aargauer die Stelle. Sein neuer Arbeitgeber hatte die Pensionskasse bei der Sammelstiftung Profond in Zürich abgeschlossen.
Psychische Störungen nicht erwähnt: «Anzeigepflicht verletzt»
Der Angestellte verdiente an der neuen Stelle überdurchschnittlich gut. Deshalb musste er auf Geheiss der Pensionskasse Angaben zu seiner Gesundheit machen (siehe unten). Die Frage nach «Krankheiten oder körperlichen und/oder psychischen Störungen» der letzten fünf Jahre beantwortete er mit «Ja». Doch bei der Anschlussfrage nach den Einzelheiten führte er nur einen Bergunfall aus dem Jahr 2009 auf. Seine psychischen Probleme erwähnte er nicht.
2013 wurde der Mann aus psychischen Gründen zu 100 Prozent arbeitsunfähig und bezog eine Rente der staatlichen Invalidenversicherung (IV). Gegenüber der Pensionskasse hatte er gemäss Reglement Anspruch auf eine über obligatorische monatliche Invalidenrente von rund 2000 Franken (siehe unten). Doch die Profond zahlt ihm nur das gesetzliche Obligatorium von etwa 1400 Franken. Begründung: Der Versicherte habe seine «Anzeigepflicht» verletzt, weil er die psychischen Probleme verschwiegen hatte, die in der Folge zur Invalidität führten. Das Bundesgericht segnete diese Kürzung am 25. September 2018 ab (Urteil 9C_689/2017).
Das Urteil zeigt einmal mehr, wie gnadenlos die obersten Richter bei einem unvollständig oder falsch ausgefüllten Gesundheitsfragebogen sind. Wenn die Versicherung merkt, dass der Antragsteller geschummelt oder wichtige Aspekte zu seiner Gesundheit verschwiegen hat, kann sie die versicherte Leistung verweigern und den Vertrag sofort kündigen.
Bundesgericht: Man hat die Pflicht, «umfassend Auskunft zu geben»
Im Entscheid des Bundesgerichts ist auch nachzulesen, wie wichtig eine eigenhändige vollständige Auflistung der gesundheitlichen Probleme ist. Zwar hatte der Mann die Pensionskasse Profond ermächtigt, bei seinem Hausarzt seine vollständige Krankengeschichte einzusehen. Doch das Bundesgericht schreibt, diese Ermächtigung befreie den Antragsteller «nicht von seiner Pflicht, über seinen Gesundheitszustand umfassend Auskunft zu geben».
Noch ein Detail: Der Mann erwähnte im Fragebogen zwölf Medikamente, die er aktuell regelmässig einnehme, darunter Lyrica, Valium und Trittico. Vor Gericht argumentierte er, diese drei Präparate würden typischerweise bei psychischen Störungen verschrieben. So sei für die Pensionskasse «leicht erkennbar» gewesen, dass er eine bestehende psychische Krankheit habe. Doch auch dieses Argument liess das Gericht nicht gelten: Die Pensionskasse habe daraus lediglich schliessen können, dass er nach seinem Bergunfall posttraumatische Störungen habe.
Fazit: Beim Ausfüllen eines Gesundheitsfragebogens sollte man sich exakt an die Wahrheit halten und vollständige Angaben nachen. Dies gilt nicht nur bei Pensionskassen, sondern zum Beispiel auch bei den Zusatzversicherungen der Krankenkassen oder bei Lebensversicherungen.
Pensionskassen: Gesundheitsfragen nur im Überobligatorium erlaubt
Im Obligatorium sind die Leistungen im Pensionskassengesetz BVG verbindlich geregelt. Hier dürfen die Pensionskassen keine Gesundheitsfragen stellen und keine Zahlungen verweigern. Ebenso wenig dürfen Kassen Gesundheitsvorbehalte anbringen. Das bedeutet: Sie dürfen bestehende Krankheiten nicht generell ausschliessen für den Fall, dass eine gesundheitliche Störung zur Invalidität führt. Im Obligatorium richtet sich die Invalidenrente nach dem hochgerechneten Total des angesparten Alterskapitals.
Bei sehr vielen Pensionskassen haben die Versicherten jedoch eine überobligatorische Invalidenrente versichert. Dann beträgt die Invalidenrente meist 40 bis 60 Prozent des letzten versicherten Lohns. Das ist jeweils mehr als das gesetzliche Minimum des Obligatoriums. In solchen Fällen sind auch die Zahlungen an die Hinterbliebenen überobligatorisch, falls die versicherte Person stirbt.
Bei der überobligatorischen Invalidenrente gelten jedoch die Regeln des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Aus diesem Grund dürfen die Kassen hier Gesundheitsfragen stellen und bei bestehenden Krankheiten Vorbehalte anbringen. Ein Gesundheitsvorbehalt gilt maximal fünf Jahre lang, dann ist die betroffene Person wieder normal versichert. Wurde ein Leiden verschwiegen und führte dann zur Arbeitsunfähigkeit, dürfen die Kassen die überobligatorische Rente verweigern. In diesem Fall erhalten Betroffene lebenslang nur das gesetzliche Minimum.
K-Geld wollte wissen: Wie sieht die Praxis aus? Wer muss Gesundheitsfragen beantworten?
Jahreslohn unter etwa 150000 Franken.
Diese Versicherten müssen bei einem Stellenwechsel beziehungsweise beim Eintritt in eine neue Pensionskasse keine Gesundheitsfragen beantworten. Meist meldet das Personalbüro den Neueintritt der jeweiligen Pensionskasse und gibt gleichzeitig an, diese Person sei voll arbeitsfähig.
Jahreslohn über etwa 150000 Franken.
Wer so gut verdient, muss damit rechnen, dass er einen Fragebogen zu seiner Gesundheit zu benatworten hat. Diese Schwelle ist bei jeder Pensionskasse anders. Auch bei markanten Lohnerhöhungen über die geltende Schwelle müssen Angestellte Fragen beantworten. Bei Unklarheiten oder bei sehr hohen versicherten Summen kann die Kasse auch einen Arztbesuch vorschreiben.
Die Sammelstiftung Profond sagt dazu: «Wenn wir eine Gesundheitsprüfung verlangen, machen wir in rund einem Drittel der Fälle einen Vorbehalt.»
Bei den Sammelstiftungen der Swiss Life sind rund 600000 Personen versichert. Swiss Life sagt, sie mache pro Jahr im Durchschnitt 3400 Gesundheitsprüfungen und bei knapp 10 Prozent der Untersuchten werde ein Vorbehalt angebracht.