Laut der Hochschule Luzern gibt es knapp 1900 nachhaltige Fonds in der Schweiz. Die Mehrheit der Schweizer Anleger (58 Prozent) verstehen unter nachhaltigem Investieren primär: in Anlagen investieren, welche die Umwelt schonen. Das zeigt eine Umfrage der ETH und der Universität Zürich.
Aber weder Banken noch Fondshäuser können die Nachhaltigkeit von Unternehmen ausreichend untersuchen, geschweige denn abschliessend beurteilen. So kaufen sie die Benotungen der Firmen bei Ratingagenturen. Marktleader für Nachhaltigkeitsratings ist die New Yorker Agentur Morgan Stanley Capital International, kurz: MSCI.
Deren Ratings verwendet etwa iShares, der führende Anbieter von börsengehandelten Indexfonds. Auch UBS, Credit Suisse und Swisscanto (Zürcher Kantonalbank) setzen darauf – genau wie die Basler, die Bündner und viele weitere Kantonalbanken. MSCI bewertet weltweit zwei Drittel der nachhaltigen Fonds.
Umwelt macht nur einen Drittel der Bewertung aus
Ratingagenturen wie MSCI definieren den Begriff Nachhaltigkeit grosszügig. Der Fokus von MSCI-Fonds liegt nicht auf Umweltthemen, sondern auf Unternehmensführung und dem Sozialen. Die beiden Letzteren machen gut zwei Drittel der Benotung aus.
Bei der Unternehmensführung bewertet MSCI etwa die Eigentümerstruktur, die Mitglieder des Verwaltungsrates und die Buchführung. Beim Sozialen stehen Themen wie der Umgang mit den Zulieferern, die Sicherheit der Belegschaft oder die potenziell schädlichen Auswirkungen der Produkte auf die Konsumenten im Vordergrund. Solche Aspekte sind aber schlecht messbar, die Bewertung basiert häufig auf der Selbstdeklaration der Unternehmen.
Die Umwelt macht lediglich einen Drittel der Bewertung aus. MSCI beurteilt dabei Risiken wie CO2-Emissionen, Umweltschäden oder Landverbrauch von Unternehmen und deren Produkten.
Zur Beurteilung dieser Faktoren greifen die Mitarbeiter von MSCI auf Berichte von Regierungen, Medien und den Firmen selbst zurück. So könnte etwa ein Unternehmen für einen Umweltskandal in einem fernen Land verantwortlich sein. Aber weil niemand darüber berichtet, fliesst das nicht in ein Rating ein. Auch Stichproben von Nichtregierungsorganisationen, die Umwelt- oder Arbeitsbedingungen untersuchen, können unmöglich ein vollständiges Bild über die Lage in den Tausenden Produktionsstätten dieser Welt vermitteln.
Und weil das Rating von MSCI die Geschäftsführung und Soziales mit zwei Dritteln gewichtet, stuft MSCI auch umweltzerstörerische Unternehmen als nachhaltig ein – etwa den Kohlekonzern China Shenhua Energy, Autobauer Ferrari, den Schweizer Bergbaukonzern Glencore, den US-amerikanischen Ölkonzern Exxon Mobil und die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa. Sie alle sind Teil des MSCI-ACWI-ESG-Universums. ACWI steht für All Country World Index, in dem 3000 Aktien zusammengefasst sind.
Für Ratingagenturen ein äusserst lukratives Geschäft
Solche Bewertungen sind in erster Linie ein lukratives Geschäft für Ratingfirmen. Pro Jahr erzielt etwa MSCI damit einen Gewinn von rund 85 Millionen Franken. Weitere Agenturen sind Moody’s ESG, Sustainalytics, Refinitiv oder Inrate. Sie wenden sehr verschiedene Methoden an (K-Geld 4/2021). Nachhaltigkeitsexperte Markus Leippold von der Uni Zürich kritisiert den «Mangel an Transparenz» und die «schlechte Datenqualität» der Ratingagenturen. Zudem gebe es «keine klare Definition» für Nachhaltigkeit.
Beispielsweise gilt der US-amerikanische Elektroauto-Hersteller Tesla bei MSCI als vorbildlich. Das Ratinghaus Standard & Poor’s dagegen schloss die Wertpapiere aus seinem Nachhaltigkeitsindex S&P 500 ESG wegen arbeitsrechtlicher Verfehlungen aus. Ebenfalls als nachhaltig gelten bei MSCI die Aktien des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall. Begründung: Das Unternehmen diene der «Friedenssicherung».
Fazit: Anleger, denen Nachhaltigkeit wichtig ist, kommen nicht darum herum, die Faktenblätter der Fonds mit den darin enthaltenen Aktien anzuschauen. Diese sind im Internet auf Justetf.ch zu finden.
Die sieben wichtigsten Labels der Ratingagentur MSCI
Die New Yorker Agentur Morgan Stanley Capital International, kurz: MSCI, ist Marktleaderin für Nachhaltigkeitsratings. Das sind die sieben wichtigsten ihrer total 19 Nachhaltigkeitslabels:
ACWI Sustainable Impact
Im All Country World Index sind 3000 Aktien zusammengefasst. Daraus werden jene Firmen ausgewählt, die mit mindestens der Hälfte ihres Umsatzes auf das Erreichen der 17 Nachhaltigkeitsziele der Uno hinwirken. Dazu gehören etwa keine Armut, kein Hunger, Zugang zu Bildung, Geschlechtergleichheit und sauberes Wasser.
ESG Leaders
Der Ansatz «best in class» bedeutet, dass selbst ein Ölkonzern die Nachhaltigkeitskriterien erfüllt, wenn dieser weniger negativ auffällt als die Konkurrenten.
SRI
Socially Responsible Investing heisst, dass die Branchen Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Handfeuerwaffen, Rüstungsgüter, Kernkraft, Pornografie und Genmanipulation ausgeschlossen sind.
ESG Screened
Zusätzlich zu den SRI-Kriterien werden hier auch jene Firmen ausgeschlossen, die Kohle oder Ölsand abbauen.
Enhanced Focus
Zu den erwähnten Kriterien wird unter diesem Label speziell auf eine möglichst geringe Emission von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen geachtet.
Climate Change
Das sind Unternehmen, die den Übergang in eine Wirtschaft ermöglichen sollen, die weniger fossile Energieträger verbraucht.
Green Bonds
Bei solchen Obligationen kann das am Kapitalmarkt aufgenommene Geld nur für umweltfreundliche Zwecke eingesetzt werden.