Diesen Sommer wurde in der Stadt Winterthur ein Mehrfamilienhaus für einen einstelligen Millionenbetrag verkauft. Auf den Erlös zwischen Verkaufspreis und Anlagekosten ist die Grundstückgewinnsteuer geschuldet. Die Anlagekosten umfassen die Kosten für die Anschaffung der Liegenschaft und die wertmehrenden Investitionen, die seither getätigt wurden.
Der Verkäufer besass die Liegenschaft über 20 Jahre. Im Kanton Zürich gilt in solchen Fällen: Zur Berechnung der Grundstückgewinnsteuer kann anstelle des ursprünglichen Kaufpreises der Verkehrswert von vor 20 Jahren verwendet werden.
Für die Festlegung des Verkehrswertes ist das Steueramt am Ort der Liegenschaft zuständig. Das Steueramt Winterthur schätzte den Verkehrswert vor 20 Jahren auf 3,1 Millionen Franken.
Das sei viel zu tief, fand der Hauseigentümerverband (HEV) der Region Winterthur, der die Liegenschaft für den Besitzer verkaufte. Mit Hilfe von Indizes der Immobilienberatungsfirma Wüest Partner kam der Verband auf deutlich höhere Werte und suchte das Gespräch mit dem Steueramt. In Verhandlungen einigte man sich auf einen neuen Verkehrswert von vor 20 Jahren in der Höhe von 3,8 Millionen Franken. Dadurch reduzierte sich die Grundstückgewinnsteuer von 860'000 auf 715'000 Franken. Das ist eine Ersparnis von 145'000 Franken – oder 17 Prozent.
Reduktion von bis zu 42 Prozent möglich
Dem Verband sind mehrere Fälle bekannt, bei denen das Steueramt Winterthur seine Einschätzung nach Intervention der Verkäufer oder des Verbands änderte und die Steuer senkte. Eine Einsprache war nie erforderlich. Zum Beispiel brachten die Verhandlungen mit dem Steueramt beim Verkauf eines Einfamilienhauses im vergangenen Quartal eine Steuerersparnis von 15 Prozent respektive 34'000 Franken. Und vor einem Jahr resultierte bei einem Einfamilienhaus sogar eine Reduktion von 42 Prozent, was 50'000 Franken entsprach.
Ralph Bauert, Geschäftsführer des Verbandes, ist überzeugt, dass verkaufswillige Hauseigentümer oft gutgläubig den Einschätzungsvorschlag des Steueramtes akzeptieren und so zu hohe Grundstückgewinnsteuern bezahlen. Das gelte nicht nur für Winterthur. Er rät Immobilienverkäufern, den Schätzwert vom Steueramt mittels Immobilienindizes zu plausibilieren oder durch den Verband oder einen unabhängigen Schätzungsexperten überprüfen zu lassen.
Das Steueramt Winterthur sagt, die Festlegung des Verkehrswerts von vor 20 Jahren sei keine exakte Wissenschaft. Das Steueramt halte sich an die langjährige Rechtsprechung. Die Gerichte wenden bei Entscheiden die Vergleichsmethode an. Dabei erfolgt die Schätzung aufgrund von erzielten Verkaufspreisen vergleichbarer Objekte an ähnlicher Lage zu einem ähnlichen Zeitpunkt.
Steueramtsvorsteherin Caroline Lüthi sagt, die Verkehrswerte würden «nach bestem Wissen und Gewissen» berechnet. Wenn das Steueramt Schätzungen ändere, dann in der Regel «aufgrund nachträglich von den Kunden eingereichter Informationen».
Laut Luca Roncoroni vom Hauseigentümerverband Zürich schätzen auch Steuerämter anderer Zürcher Gemeinden den Verkehrswert einer Immobilie zu tief. Das komme vor allem dann vor, wenn das Steueramt den Landwert zu tief veranlage.
Auch im Kanton Zug gibt es regelmässig Fälle, bei denen der Einschätzungsvorschlag des zuständigen Steueramts strittig ist. Der Hauseigentümerverband Zugerland berichtet, dass Mitglieder diesbezüglich immer wieder Rat suchen. Laut Geschäftsführer Alain Fuchs trugen die Interventionen der HEV-Rechtsberater schon «sehr häufig» zu tieferen Grundstückgewinnsteuern bei.
Liegt der Erwerb einer Liegenschaft weit zurück, ist es oft schwierig bis unmöglich, den damaligen Kaufpreis festzustellen. Deshalb gibt es in den meisten Kantonen Regeln, wonach das Steueramt anstelle des effektiv bezahlten Preises den Wert zu einem bestimmten Zeitpunkt verwendet.
In einigen Kantonen ziehen die Steuerämter bei Liegenschaften mit langer Haltedauer wie der Kanton Zürich ebenfalls den geschätzten Verkehrswert aus der Vergangenheit heran – so etwa Ausser- und Innerrhoden, Basel-Landschaft, Glarus, Solothurn, Tessin und Zug. Einige Kantone gehen bei den Schätzungen 25 oder gar 30 Jahre zurück.